Gransow, Mechthild: Fontane und Menzel — ein Beitrag zu Fontanes Realismusbegriff. Schriftliche Prüfungsarbeit zur Ersten Staatsprüfung für Realschullehrer. — Flensburg 1981. 54 S.
(Anmerkungen: Susanne Altmeyer, Potsdam)
Fontanes literarisches Schaffen ist vielseitig wissenschaftlich untersucht worden. Wenig Beachtung fanden bis jetzt seine Betrachtungen und Aussagen zur bildenden Kunst, wie sie in den „Aufsätzen zur bildenden Kunst" (Nymphenburger Ausgabe 1970) und in einer großen Zahl von Briefen, Berichten und Tagebuchaufzeichnungen zu finden sind. Doch gerade die Auseinandersetzung mit der bildenden Kunst, mit der Malerei und der Architektur prägten auch Fontanes Realismusbegriff.
Dieser ist Gegenstand der von Mechthild Gransow vorgelegten Arbeit.
In der Einleitung zitiert die Verfasserin eine Briefstelle, in der Fontane Ludwig Pietsch (23. Dez. 1885) bekennt, daß er zu Menzel und Turgenjew als zu seinen „Meistern und Vorbildern" emporblickt (S.«3). Zählt er doch Menzel „mit zu den glänzendsten Vertretern des Realismus in der Kunst" (NFA XXIII/1, S. 432). Als ein Beispiel besonderer Wertschätzung wird Fontanes Gedicht zum 70. Geburtstag des Malers benannt. Nicht ganz ohne Wehmut vergleicht er dabei die öffentliche Anerkennung des Malers mit der gesellschaftlichen Stellung des Dichters im preußischen Staat.
Im folgenden Abschnitt geht es um Fontanes Verhältnis zur bildenden Kunst. Die Verfasserin zitiert aus einem Brief Fontanes an seinen .Rütli'-Freund Karl Zöllner aus Neapel, daß er „den großen'Nummern" der Renaissancekunst nichts abgewinnen kann (S. 7). Mit Briefzitaten wird in der Arbeit belegt, daß „wahre Kunst" für Fontane nur die ist, die sein Gefühl anspricht, so u. a. der Christuskopf von Dürer, den er in Florenz entdeckte. Er kekennt seine Vorliebe für die holländische Malerei, für Hans Memling, der ja von Geburt Deutscher war: „Die Bilder der Epoche sind unter allem, was ich in der bildenden Kunst kenne, das Liebste und gelten mir mehr als die großen Italiener. Dies ist ... immer wieder Empfundenes und muß mit dem Urgrund aller Kunst ... Zusammenhängen." (S. 11). (Brief an Emilie Zöllner)
Sicher ist es richtig, daß Fontane immer und zuerst nach dem Poetischen suchte. Sein tiefes menschliches Empfinden war Ausgangspunkt auch für seine Aussagen über bildende Kunst, die von der Romantik beeinflußt waren. Wenn aber die Verfasserin aus Wilhelm Vogts Aufsatz „Theodor Fontane und die bildende Kunst" zitiert: „Er sah die Werke der bildenden Kunst Zeit seines Lebens mehr mit Dichteraugen als mit Maleraugen. Ein bloß formaler Kunstgenuß blieb ihm versagt," (S. 16) so ist insbesondere der letzte Satz recht anfechtbar. Es sei denn, man erläutert, ob „ein bloß formaler Kunstgenuß" eine positive oder negative Wertung darstellt. Problematischer erscheint meines Erachtens die Aussage der Verfasserin auf Seite 16 ihrer Arbeit: „Seine (Fontanes) Äußerungen über die italienische Renaissance zeigen, daß er sich den Standort dieser Epoche in der Entwicklung der Kunst nicht bewußt gemacht hat. Indem er die Kunstwerke nach seinem persönlichen Empfinden bewertet, bleibt ihr objektiver Rang und ihr historischer Stellenwert unberücksichtigt."
Hier fehlt seitens der Verfasserin eine klare Einordnung des Realismusbegriffes,
129