146 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich von politisch in Anspruch genommenem Expertenwissen und den dazugehörigen Spezialdiskursen sprechen, also insgesamt von einer Mischung aus militärischen und parteiergreifend politischen und oft betont patriotischvaterländischen Diskursen. In Abgrenzung zur ersten Gruppe lässt sich diese als die der politisch-interessengeleiteten Texte bezeichnen. Als exemplarisch neben zahlreichen weiteren Veröffentlichungen können August Theodor von Grimms Vaterländische Erinnerungen und Betrachtungen über den Krieg von 1870–1871 gelten. 23 (3) Eine dritte Gruppe bilden autobiografische Erinnerungsschriften, verfasst von Militärs, vielfach Offizieren, aber auch von Geistlichen. 24 Diese Schriften sind – sofern sie nicht den Charakter von Kriegstagebüchern haben – meist im Nachhinein verfasst, wenn auch nicht in allzu großem zeitlichem Abstand zum Kriegsgeschehen. Über den Anspruch authentisch zu sein hinaus weisen sie einen mal mehr, mal weniger großen Anteil an literarischen Elementen und Verfahren auf und sind zudem um eine auch ästhetische Darstellung bemüht, sodass die Schriften dieser Gruppe bei wechselnder Gewichtung ambivalent spezialdiskursiv und literarisch angelegt sind. Als Beispiel sei hier Alfred Adelmanns Aus dem Felde. Erinnerungen, Skizzen und Noveletten von 1871 genannt 25 (Georg Hirths und Julius von Gosens häufig zitiertes Tagebuch des deutsch-französischen Krieges 1870–71. Eine Sammlung der wichtigeren Quellen ist dagegen eher eine lediglich vorhandenes Textmaterial akkumulierende Dokumentation). 26 Innerhalb dieser dritten Gruppe stellen Sammlungen von Feldpostbriefen noch einmal ein eigenes Sub-Genre dar. Wiederum nur stellvertretend für zahlreiche andere seien Theodor Vatkes Feldpostbriefe aus Frankreich 1870–71 angeführt. 27 (4) Den drei ersten Gruppen korrespondiert als vierte die der explizit literarischen Texte, die Kriege und Kriegsgeschehen zum Thema von vorwiegend Erzählungen und Romanen machen. 28 Sie haben – wie alle Literatur – interdiskursiven, spezialdiskursives Wissen aufnehmenden, dieses aber genuin literarisch weiterverarbeitenden Charakter. Als Beispiel ist hier etwa Ernst Wicherts Ein kleines Bild. Erzählung aus der Zeit des deutsch-französischen Krieges aus dem Jahr 1883 zu nennen. 29 In diese Gruppe gehören aber auch die in der Gründerzeit massenhaft anzutreffenden populären literarischen Kriegserzählungen, 30 die Fontane als»Sensations-Novellistik« galten. Theodor Fontanes Position im Feld der Kriegspublizistik Wenn Fontane mit Beginn der Arbeit an Der Krieg gegen Frankreich im August 1871 an seinen Verleger Rudolf von Decker, der ihn aufgefordert hatte, noch ein drittes Kriegsbuch zu verfassen, schrieb, dass»Alles[…] ein drittes Mal im Felde« stehe,»so denn auch wir«, 31 dann ging es über das militärische Feld hinaus auch um das der Literatur. In diesem Feld nun neh-
Heft
(2021) 111
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