Heft 
(2021) 111
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148 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich men Fontanes Kriegsschriften und insbesondere Der Krieg gegen Frank­reich insofern eine singuläre Position ein, als sie Elemente aus allen vier be­schriebenen Gruppen von Texten selektiv aufnehmen, haben sie doch ebenso einen Anspruch auf Authentizität, nämlich den der zumindest teilweise selbst bereisten Schlachtfelder, wie auch den des Dokumentarischen und nicht zuletzt den des Poetischen, wie er sich insbesondere in der Gliederung und Anordnung des Materials zeigt. Diskurstheoretisch ließe sich diese Mi­schung als hochgradig interdiskursiv, das heißt Diskurse verbindend, cha­rakterisieren(bei gelegentlichen spezialdiskursiven Implementen); eine Kombination, wie sie später für den modernen Essay konstitutiv wurde. 32 Damit positionierte sich Fontane an einer bis dato noch nicht besetzten Stel­le im Feld der Kriegspublizistik und Kriegsliteratur, die auch die zeitgenös­sische Kritik als neu erkannte. Literatursoziologisch lässt sich Fontanes Position in diesem Feld in Form eines Zwei-Achsen-Modells beschreiben(siehe Schema 1). Die eine(horizon­tale) Achse zeigt dabei die spezifische Form der Zusammenführung ver­schiedener gesellschaftlicher Teilbereiche bzw. Schreibarten auf, wie sie bei Fontane durch den ›Mischcharakter‹ seiner Kriegsbücher gegeben sind. Man kann diese Dimension das formierend-historische Projekt oder auch das der Praktikenintegration nennen. Für Fontane umfasst es unter Aus­sparung militärwissenschaftlicher Analysen und Sensations-Novellistik Dokumente, Pläne, Karten, autobiografische Zeugnisse und Erinnerungen, Briefe von Soldaten und zahlreiche ästhetisch-poetische Elemente. Die zweite(vertikale) Achse ist die der sozial-historischen Stratifikation zur Zeit Fontanes, für die gezeigt werden kann, welchen Ausschnitt Fonta­ne daraus als sein sozial-historisches Publikumsprojekt im Blick hat. 33 Als Spektrum der ›gebildeten Laien‹ reicht es in etwa von Offizieren bis hin zu Elementarschullehrern. 34 Im Schnittpunkt beider Achsen lässt sich dann Fontanes Schreibprojekt einer ›populären Feldzugsgeschichte‹ gegen ande­re solche Projekte, zum Beispiel das des ›Generalstabswerks‹, abgrenzen. Die Besprechungen von Der Krieg gegen Frankreich Will man die Tragfähigkeit der zunächst lediglich heuristisch entworfenen Typologie des Kriegsschrifttums überprüfen, stellen die Besprechungen der beiden Bände von Fontanes Krieg gegen Frankreich geradezu einen Glücks­fall dar. Denn da die Rezensionen bereits selbst vielfach Vergleiche zu ande­ren Kriegsschriften ziehen und ebenso mögliche Publika in den Blick neh­men, erlauben sie es, dieses Feld an einem zwar überschaubaren Korpus von insgesamt 26 nachfolgend abgedruckten Rezensionen zu rekonstruieren, bedingt durch dieses Genre aber auch an einem Korpus mit großer Reich­weite. Insgesamt lässt sich sagen, dass die zum überwiegenden Teil positi-