148 Fontane Blätter 111 Dossier: Fontanes Der Krieg gegen Frankreich men Fontanes Kriegsschriften und insbesondere Der Krieg gegen Frankreich insofern eine singuläre Position ein, als sie Elemente aus allen vier beschriebenen Gruppen von Texten selektiv aufnehmen, haben sie doch ebenso einen Anspruch auf Authentizität, nämlich den der zumindest teilweise selbst bereisten Schlachtfelder, wie auch den des Dokumentarischen und nicht zuletzt den des Poetischen, wie er sich insbesondere in der Gliederung und Anordnung des Materials zeigt. Diskurstheoretisch ließe sich diese Mischung als hochgradig interdiskursiv, das heißt Diskurse verbindend, charakterisieren(bei gelegentlichen spezialdiskursiven Implementen); eine Kombination, wie sie später für den modernen Essay konstitutiv wurde. 32 Damit positionierte sich Fontane an einer bis dato noch nicht besetzten Stelle im Feld der Kriegspublizistik und Kriegsliteratur, die auch die zeitgenössische Kritik als neu erkannte. Literatursoziologisch lässt sich Fontanes Position in diesem Feld in Form eines Zwei-Achsen-Modells beschreiben(siehe Schema 1). Die eine(horizontale) Achse zeigt dabei die spezifische Form der Zusammenführung verschiedener gesellschaftlicher Teilbereiche bzw. Schreibarten auf, wie sie bei Fontane durch den ›Mischcharakter‹ seiner Kriegsbücher gegeben sind. Man kann diese Dimension das formierend-historische Projekt oder auch das der Praktikenintegration nennen. Für Fontane umfasst es – unter Aussparung militärwissenschaftlicher Analysen und Sensations-Novellistik – Dokumente, Pläne, Karten, autobiografische Zeugnisse und Erinnerungen, Briefe von Soldaten und zahlreiche ästhetisch-poetische Elemente. Die zweite(vertikale) Achse ist die der sozial-historischen Stratifikation zur Zeit Fontanes, für die gezeigt werden kann, welchen Ausschnitt Fontane daraus als sein sozial-historisches Publikumsprojekt im Blick hat. 33 Als Spektrum der ›gebildeten Laien‹ reicht es in etwa von Offizieren bis hin zu Elementarschullehrern. 34 Im Schnittpunkt beider Achsen lässt sich dann Fontanes Schreibprojekt einer ›populären Feldzugsgeschichte‹ gegen andere solche Projekte, zum Beispiel das des ›Generalstabswerks‹, abgrenzen. Die Besprechungen von Der Krieg gegen Frankreich Will man die Tragfähigkeit der zunächst lediglich heuristisch entworfenen Typologie des Kriegsschrifttums überprüfen, stellen die Besprechungen der beiden Bände von Fontanes Krieg gegen Frankreich geradezu einen Glücksfall dar. Denn da die Rezensionen bereits selbst vielfach Vergleiche zu anderen Kriegsschriften ziehen und ebenso mögliche Publika in den Blick nehmen, erlauben sie es, dieses Feld an einem zwar überschaubaren Korpus von insgesamt 26 nachfolgend abgedruckten Rezensionen zu rekonstruieren, bedingt durch dieses Genre aber auch an einem Korpus mit großer Reichweite. Insgesamt lässt sich sagen, dass die zum überwiegenden Teil positi-
Heft
(2021) 111
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten