186 Fontane Blätter 111 Rezensionen Theodor Fontane:»Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches«. Große Brandenburger Ausgabe. Das Autobiographische Werk. Herausgegeben von Gabriele Radecke/ Heinrich Detering. Bd. 3. Herausgegeben von der Theodor-Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Aufbau Verlag: Berlin 2014. 967 S. 56,25€ Theodor Fontanes»Von Zwanzig bis Dreißig«. Zu Edition und Interpretation des autobiographischen Werkes. Hrsg. von Gabriele Radecke. Quintus-Verlag. Berlin 2020, 200 S. 25€ Im Rahmen der»Großen Brandenburger Ausgabe« ist 2014 auch Fontanes autobiographisches Buch»Von Zwanzig bis Dreißig« erschienen(EA 1898). Dem Autor war die Arbeit daran nicht leicht gefallen. Mindestens drei Probleme hatte er zu meistern: Erstens galt es gattungsgeschichtlich einen Modus zu finden, der über das bloße lineare Erzählen hinausging und sich als literarisch innovativ erwies. Zweitens mussten mit Blick auf den literarischen Markt und die Rezeption Belanglosigkeiten gemieden und das Leserinteresse bedient, sogar die eigene literarische Rolle bekräftigt werden, z.B. mit Ausführungen über Gegenwartsautoren wie Storm und Heyse. Und drittens war die eigene Vita der Jahre 1839 bis 1849 zu stilisieren. Der Umstand, dass es dem Autor»zubestimmt war, unausgesetzt Revolutionären und ähnlichen Leuten in die Arme zu laufen: Robert Blum, Georg Günther – Schwager R. Blums –, Jelinek, Dortu, Techow, Hertzen, Bakunin und noch andre«(wie er selbst, möglicherweise dramatisierend, vermerkte, S. 363), musste literarisch überdeckt werden: durch Auslassungen, Bagatellisierungen, Euphemisierungen, durch Humor und Komik. Ergebnis war eine zum Teil mäandernde Publikation: episodenhaft, anekdotenhaft, zwischen verschiedenen Zeitphasen springend, nicht selten ausführlich über das Jahr 1849 hinaus. Dieser Text war einerseits sehr detailfreudig bei gewissen oder scheinbaren Nebensächlichkeiten, andererseits aber schweigsam oder nur andeutungshaft bei prekären Umständen, von denen anzunehmen war, dass eigentlich ein größeres öffentliches Interesse daran bestand, sie aber die Anfänge Fontanes seinem Selbstverständnis zum Zeitpunkt der Niederschrift nach in ein ungünstiges Licht gesetzt hätten. Beides – die ausgesprochene Detailfreudigkeit ebenso wie das aussparende ›Andeuten‹ von Details – stellt eine Stellenkommentierung vor nicht selbstverständliche Herausforderungen, und der betreffende Kommentar von Wolfgang Rasch setzt hier Maßstäbe. Er schlüsselt eine Vielzahl von Anspielungen und biographischen Details auch von entlegenen Personen auf, geht aber noch weiter. Er erkennt auch Camouflagen und kann die wahre Identität von drei im Text auftauchenden wichtigen dichtenden Jugendfreunden aufdecken(die in der Wilhelminischen Zeit als Pfarrer und Schul-
Heft
(2021) 111
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