Abschiedsgruß für Peter Schaefer 219 Was S. Fischer den Lesern in dieser Reihe präsentieren wollte, das waren, kurz gesagt,»moderne Romane erster Autoren« in guter Ausstattung zu kleinem Preis. Als allerersten unter den ersten zeitgenössischen Autoren präsentiert der Verlag in dieser Reihe Theodor Fontane mit seinem Roman Irrungen, Wirrungen neben Björnstjerne Björnsons Mary und Gabriele Reuters Frauenseelen. Preiswert sollten die Bände sein, nicht billig, das suggeriert auch die sehenswerte Werbeanzeige, nicht nur durch den Hinweis, dass die einzelnen Bände»in bester Ausstattung in allen Buchhandlungen zu haben« seien, sondern auch durch attraktive graphische Gestaltung, mit der der Verlag einen bekannten Illustrator beauftragt hatte, Emil Preetorius(1883-1973), den Mitbegründer der Schule für Illustration und Buchgewerbe und Leiter der Lehrwerkstätten an der Hochschule für bildende Künste in München. Preetorius fand eine ansprechende Lösung: Eine Bücherwand unter dem gestirnten nächtlichen Himmelszelt oder Zelthimmel, der von einer etwas aus dem Zentrum gerückten Anschlag-Säule getragen wird, davor das lesehungrige Publikum, beispielhaft präsentiert durch zwei in ihre Lektüre vertiefte Herren im Paletot, was gewiss ein Missgriff ist, denn auch damals schon waren die Leser belletristischer Literatur vorwiegend Leserinnen. Jedenfalls sind diese beiden mit ihrer Lektüre befasst und ganz der Gegenwart entrückt. Nur die zentrale Figur, eine junge Frau mit Hut, abenteuerlich geschlungenem Tuch und Schirm, ist direkt dem Betrachter zugewendet – Neugier, Phantasie, Muse der modernen Dichtkunst oder Symbol der Reihe. Sie muss nicht lesen, sie weiß. Ihr Gewand ist ebenfalls ein Sternen-Kleid, aber invers zum gestirnten Nachthimmel: Schwarz auf Weiß – Weiß auf Schwarz, Motiv und Gestaltungselement in einem. Ihr Schirm wiederholt das Zelthimmel-Motiv ebenfalls und kennzeichnet sie als eine der höheren Mächte. Der junge Mann, der etwas unentschlossen neben ihr steht, schaut sie erwartungsvoll, vielleicht auch herausfordernd an. Er ist der nächste, den sie in ihren Bann schlagen wird. Noch ein Leser. Dem Sog, der von einer solchen Reihe ausgeht, kann sich niemand entziehen. Sogar Platz für ein Titelschild ist in der kleinen Graphik, das Motiv der Anschlagsäule wiederholend, auf dem die ersten drei Titel der neuen Reihe herausgestellt sind. Gestartet hatte der S. Fischer-Verlag die Reihe im Jahr 1908 mit Fontanes Roman L’Adultera, als Band 6 erschien Thomas Manns Erzählung Der kleine Herr Friedemann. Auch in den folgenden Jahren präsentierte der Verlag in jeder Reihe eines der Werke Fontanes. Als Band 3 der Reihe II erschien Cecile, hier konsequent ohne den Akzent geschrieben. Im Anhang zitierte der Verlag einige der Rezensionen zu L‘Adultera: Zur Eröffnung dieser Reihe hätte man»keinen geeigneteren Dichter als Fontane« finden können, heißt es da, und kein geeigneteres Werk als L’Adultera, denn hier»stehen wir mitten im Berliner Leben, hier werden wir umweht von der Luft der Moderne«. Dieses Werk zeige»die gewaltige Kunst und wundervolle Lebensanschauung des greisen Fontane« und ist»ein Markstein in der Geschichte des modernen Romans«. Dieses Buch habe prinzipielle Bedeutung erlangt»ebenso für die Entwicklung des Dichters wie für die des modernen Romans überhaupt«. In der Reihe IV erschien Frau Jenny Treibel. Aber nicht um das innovative Konzept des Fischer-Verlags soll es hier gehen, auch nicht um den buchhändlerischen Erfolg dieser Reihe, sondern allein um den seriellen Charakter, um die Attraktion, die von Fontane ausgeht, um die Muse der Serie, wie sie von Preetorius schwarz auf weiß festgehalten wurde und wie sie noch heute Leser und Zuschauer in ihren Bann schlägt.
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(2021) 111
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