Heft 
(2021) 112
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52 Fontane Blätter 112 Dossier. Fortsetzung hatte man sich etwa im Umgang mit den für das Publikumsinteresse essen­ziellen belletristischen Beispielen eingeräumt. Dass Levin Schückings zwölfteilige Erzählung Die Thurmschwalbe über den Kriegseinbruch hin­weg fortgesetzt wurde 90 und die ›idyllische‹ Vorkriegs- Gartenlaube mit der ›militärisch aufgerüsteten‹ verknüpfte, war ein Zugeständnis, genügte manch einem Leser/einer Leserin aber offensichtlich nicht. Kritisiert wur­de, dass die Fortsetzung von Wilhelmine von Hillerns Roman Aus eigener Kraft mehrfach aufgeschoben wurde. 91 Zwar war dies auch aus persönli­chen Gründen der Autorin geschehen, 92 vor allem aber war es den aktuellen Verhältnissen geschuldet, die, wie die Redaktion erklärte, das redaktionelle Zeitmanagement durcheinander brachten und Anpassungen erforderlich machten:»[D]a Berichte und Illustrationen vom Kriegsschauplatze fast allen Raum unserer Zeitschrift in Anspruch nehmen«, heißt es in einer Replik auf eine Leserbrief-Beschwerde, sei es»geradezu unmöglich, zwei Erzählungen nebeneinander erscheinen zu lassen« 93 , also Schücking und Hillern in ei­nem Heft gleichzeitig abzudrucken. Man versprach aber baldige Abhilfe in dieser Sache, mithin den»Abdruck« von Hillerns Roman»wieder« aufzu­nehmen und»ununterbrochen[] zum Ende« zu führen. 94 Doch auch diese Offerten zur Kontinuität im Angebot des Familienblatts stellten nicht alle Leser*innen zufrieden. Die Redaktion musste sich gegen Vorwürfe verteidigen, die Gartenlaube sei derzeit ja völlig»in ›Lager- und Schlachtberichten aufgegangen‹«. 95 Nicht zuletzt deshalb stellte wohl auch der Eigenwerbeblock in Heft 1870/39 v. a. das novellistische Angebot des nächsten Quartals ganz besonders heraus. Explizit wurde darauf verwie­sen, man möchte über den»Anforderungen, die eine so große und kriegeri­sche Zeit an ein Journal stellt«,»die friedliche Aufgabe der Gartenlaube nicht vernachlässigen«. Dass aber gerade die Politik der Korrespondenten­berichterstattung zu einem enormen Aufschwung bei den Abonnentenzah­len geführt hatte, wurde ebenfalls betont. 96 Wieder einmal musste die Redaktion versuchen, unterschiedlichen Le­sererwartungen gerecht zu werden. Ab Heft Nr. 1870/40 bemühte man sich deshalb um eine ausgewogenere Mischung, ohne jedoch die Dominanz des Militärischen grundsätzlich aufzugeben: Nach wie vor beherrschten Nach­richten aus dem Krieg das Bild, allerdings erreichte die Frequenz von seri­ell organisierten Erzähltexten in manchen Heften wieder das Niveau der Zeit vor dem Krieg. Darüber hinaus unterstrichen Sachbeiträge mit dezi­diert ›friedlicher‹ Thematik die Nachjustierungen in der kriegsbedingten Programmänderung, etwa ein Bericht über eine neue Schweizer Bergbahn unter dem Titel Ein Werk des Friedens 97 oder ein Artikel über die Brutplätze von Tauben, 98 der mitten im Text von zwei Illustrationen aus dem Kriegsge­schehen unterbrochen wurde. 99 In den Monaten des Deutsch-Französischen Kriegs boten die Gartenlauben- Hefte mithin ein recht diffuses Bild eine merkwürdige Gemengelage aus Ausnahmezustand und Alltagsnormalität.