56 Fontane Blätter 112 Dossier. Fortsetzung war seit Keils Engagement 1848, der nachfolgenden Festungshaft des späteren Verlegers und der Gründung der Gartenlaube 1853 ein Herzensanliegen geblieben. In den ersten Erscheinungsjahrzehnten war daraus allerdings so etwas wie eine mittelfristige Angelegenheit geworden. Was nicht unmittelbar greifbar schien, erforderte auch keine tagesaktuelle Berichterstattung. Mit Kriegsausbruch 1870 aber wollte man jetzt sehr viel unmittelbarer mitmischen – soweit das mit Blick auf die Produktionsbedingungen und-routinen eben ging. Vergleichsweise schnell wurden dafür Abläufe umgestellt und neue Produktions- wie Rezeptionsformen entwickelt. Man schickte »Berichterstatter und Specialartisten[…] an den muthmaßlichen Kriegsschauplatz«, und wenn sich der Produktionsausstoß auch nur unmaßgeblich beschleunigen ließ, so erhöhte man doch die Auflagen und setzte(z. B. für Feldabonnements) neue Verteilerstationen ein. Dass es dennoch zu Verzögerungen kam, sollten weder der Gartenlauben- Redaktion noch dem Vertrieb angelastet werden: Bereits gedruckte Hefte seien»noch in den Tagen der Mobilmachung in die Presse gegangen«, die Korrespondentenberichte trafen nicht stets rechtzeitig vor Redaktionsschluss»vom Kriegsschauplatze« ein, 112 und die Anforderungen an die Qualität des Materials in Text und Bild blieben hoch. Die Neuerungen ab Heft Nr. 1870/34 betrafen deshalb auch weniger die serielle Organisation der Hefte oder die Blattaufteilung als vielmehr die inhaltlichen Schwerpunkte. Dominierten bis Kriegsbeginn etwa in den Illustrationen Genreszenen und idyllische Naturdarstellungen, so kamen danach lediglich Bilder aus dem militärischen Themenfeld zum Abdruck. Im Bereich der Lyrik, die sich besonders gut für patriotisch-propagandistische Zwecke eignet und flexibel einsetzbar ist, sah dies nicht anders aus. Anfängliche Versuche, die Korrespondenten dazu zu bewegen, auch über das Kriegsgeschehen in positiv-heiterem Ton zu berichten, gab man rasch auf. Man kapitulierte vor der brutalen Macht der Tatsachen. Schon deshalb nahmen auf die Ausrichtung der Gartenlaube bezogene metakommunikative Anteile zu, insbesondere solche, in denen die dem Krieg geschuldeten Produktionsbedingungen selbst zum Gegenstand wurden. Schon bald aber musste die Redaktion die Neuaufstellungen im Programm zumindest ansatzweise revidieren. Die Leser*innen wollten bei allem drängenden Tagesgeschehen die Gemütlichkeit des Vorkriegsblatts dann doch nicht ganz vermissen. Allerdings gelangen Programmumstellungen auch jetzt wieder nur zeitverzögert, jedenfalls nicht von heute auf morgen, genauer von Heft Nr. 1870/39 113 zu Heft Nr. 1870/40 – die Produktionsabläufe waren dafür viel zu komplex. Infolgedessen kennzeichnen die Hefte ein Nebeneinander von immer noch vorherrschender ›naturalistischer‹ Kriegsberichterstattung und neuerlicher Idyllisierung im Zeichen des programmatischen Vorkriegsrealismus. Mit dem Deutsch-Französischen Krieg fallen Höhepunkt und Finale der ersten Gartenlauben- Phase
Heft
(2021) 112
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