162 Fontane Blätter 112 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Die Geburtsanzeige für Marthas Sohn Joachim in der Neuen Preußischen Zeitung (Kreuzzeitung) vom 14.5.1893 Was war vorgefallen in den zwei Wochen seit dem heimlichen Glückwunsch an die Mutter gewordene Martha? Wir wissen es nicht, richtiger: wir wissen von nichts, denn wahrscheinlich war in dieser Hinsicht gar nichts passiert. Fontane muss sich nur vielmehr in dem Brief an Friedlaender unversehens klar darüber geworden sein, welche Vermutung sich jedem Außenstehen­den aufdrängen würde, der erführe, dass Marthas erste Ehe kinderlos ge­blieben, sie in der zweiten aber zu einem Kind gekommen war. So macht er alles, was ihm an Unnatürlichem, Falschem und Schlechtem für den Mo­ment in den Sinn kommt, zum Merkmal von Marthas Wesen, so als hätte sie es gar nicht verdient, von seinem»überaus fein« angelegten Sohn ein Kind zu empfangen. Dass diese Beschreibung zu ihren Tugenden –»Freundlich­keit, Artigkeit, Aufmerksamkeit« – nicht passt, beachtet er ebenso wenig wie die Tatsache, dass er gar keine Gelegenheit hatte, von einem sie kennzeich­nenden»Merkwürdigkeitsleben« Notiz zu nehmen. Es handelt das alles eben gar nicht von ihr, es soll nur ablenken von der vermutbaren Unfruchtbarkeit seines Sohnes. Hätte Fontane noch einmal einen Anlass gehabt, sich über Martha zu äußern, hätte sein Urteil deshalb auch gänzlich anders lauten können, erst recht, wenn er von ihrem weiteren Leben noch etwas wahrgenommen hät­te. Sollten ihm die Zeitungsanzeigen ihrer Familie noch unter die Augen gekommen sein, hätte ihn das sogar beschämen können. Nach der Tochter, von der er erfahren hatte, bekam Martha noch vier weitere Kinder, einen Sohn noch in Berlin, eine Tochter und einen weiteren Sohn danach in Sagan und 1898 dort nochmals eine Tochter. 73 So sah zu Lebzeiten Fontanes alles nach einer erfreulichen Zukunft für sie aus. Aber auch in ihre Stellung als Landratsgattin wuchs sie hinein. Sie übernahm die Leitung des örtlichen Roten Kreuzes und organisierte Sammlungen für in Not geratene Familien. Außerdem richtete sie von den jährlichen Geldgeschenken der»kinderlosen