Heft 
(2021) 112
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Schwiegertochter Martha Robert  Seiler 161 ihr erster Mann ein andres Kraut war, als der zweite; jener überaus fein angelegt, dieser trotz Adel(neu gebacken, glaub ich) und Streberthum, doch nichts als ein plattirter Kommißknüppel.« 69 Wie absichtlich herabsetzend das war, sieht man schon an der Namens­verschreibung und der Abwertung des»von« für das Herkommen des Man­nes. Die von Neefes und Obischau waren alter schlesischer Adel, sonst von Fontane bei Vorstellungen immer gern vermerkt. Erst recht aber gibt er mit der Bezeichnung»Kommißknüppel« jeden Anschein von Neutralität auf. Abgesehen davon, dass er dem Mann nie begegnet sein dürfte, ordnet er ihn auch beruflich falsch ein. Johannes von Neefe und Obischau war zwar wie üblich Reserveoffizier, aber als Sohn des vormaligen Regierungspräsi­denten von Potsdam hauptsächlich Beamter im preußischen Justizdienst. Dank seines»Streberthums« wurde er 1894 Landrat im schlesischen Sagan, ein Amt, das man wirklich in Preußen nicht geschenkt bekam, und er hat bis zu seiner Pensionierung 1921, zuletzt als Oberregierungsrat, auch noch in Liegnitz und Münster Aufgaben dieser Art wahrgenommen. 70 Noch abwegiger ist aber, was er über Martha schreibt. Er nennt sie eine »Beauté mit dem Fischschwanz«, eine Frau, die»was Amphibiales« hätte und»eigentlich keinen Menscheneindruck« machte. Wenn das eine Remi­niszenz an ihre Kühle ihm gegenüber war, so läuft es jetzt auf die Bezweife­lung ihrer Weiblichkeit überhaupt hinaus. Was aber soll das, wo er von ei­nem Kind schon weiß? War es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen? Was dieses Kind für sie bedeuten konnte, wie ganz anders sie damit auch auf ihre erste Ehe zurückblicken musste, darüber fällt kein Wort. Man muss kein Freudscher Analytiker sein, um zu erkennen, was hier eigentlich be­rührt und zugleich verborgen wird: dass George nicht imstande gewesen war, dieser Frau zu einem Kind zu verhelfen. Die unbesitzbare Nixe, der »überaus fein« angelegte Sohn, der grobe Kommißknüppel lauter Stich­worte für das Hadern damit, dass sie von dem anderen Mann ein Kind be­kommen hatte, von seinem Sohn aber nicht. Zusätzlich wertet Fontane auch noch Marthas Herkommen ab. Sie sei ein »Kreuzungsprodukt der Häuser Bechmann und Robert«, zweier Häuser »ohne jeden Beisatz von Edelmetall«, wie er urteilt. Der Brautgroßvater müt­terlicherseits, also der Brauereigründer, sei ein»bairischer Brauknecht« ge­wesen, Großvater Robert aber»ein Lebemann« ebenso wie ihr Vater,»beide halb verrückt, alles nur auf Geld zugeschnitten,[...] alles Zinkguß mit An­strich.« 71 Das betrübliche Resultat dieser Mischung aber, das»Elend« der Familie, soll die nixenhafte Martha sein, vielleicht sogar sie allein, weil »durch einen Regenerationsprozeß immer wieder Gesundes, Tüchtiges, Er­freuliches mitten hinein in das Elend« geboren worden sei.»Der eine Bruder der Schwiegertochter ist ein ganz tüchtiger Offizier geworden, der jüngste Bruder, der alles durchschaut, ein lieber guter Junge mit dem Schwermuths­stempel.« 72