Heft 
(2021) 112
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160 Fontane Blätter 112 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte solche Artigkeit für Unsinn oder geradezu falsch angebracht, ein Stand­punkt, den ich nicht theile.« 68 Was war der Anlass? Marthachens»einige Zeilen« hatten den Fontanes zweifellos mitgeteilt, dass sie am 10. November 1891 ein Kind bekommen hatte, die Tochter Johanna. Zwar hatte das am Tag danach schon in der Kreuzzeitung gestanden, was wiederum am 12. No­vember die Vossische Zeitung meldete, doch hatte man das in der Potsda­mer Straße entweder übersehen recht unwahrscheinlich oder hielt einen Glückwunsch auf wiederum bloß eine Zeitungsanzeige hin für ausgeschlos­sen. Zu Weihnachten nun von Martha unterrichtet, fühlten sich Emilie und Mete aber erst recht hintangesetzt und sprachen sich gegen ein Gratulieren aus. Fontane hingegen verstand wohl, dass Martha sich gerade in diesem Fall nicht mit einer Sofortnachricht hatte melden wollen und beauftragte, weil er die Adresse nicht wusste, mit der Zustellung seiner Glückwünsche den Sohn. So belastet war das Verhältnis zu der vormaligen Schwieger­tochter und Mithausbewohnerin inzwischen, nicht einmal mehr auf die einfachsten Höflichkeiten konnte man sich verständigen. Die Geburtsanzeige für Marthas Tochter Johanna in der Neuen Preußischen Zeitung(Kreuzzeitung) vom 11.11.1891 In Kenntnis der heimlichen Gratulation liest man nun aber ratlos, ja gerade­zu erschrocken, was Fontane nur zwei Wochen später an Friedlaender schreibt. Von ihm und seinen»Damen«, Mutter und Tochter, nach seinen Schwiegertöchtern gefragt, kennzeichnet er zunächst die jüngere aus Münster als»nette blonde junge Frau«, mit der er sich gut verstehe. Das fiel ihm leicht, weil gerade erst zwei Tage zuvor das Treffen mit Gerhart Haupt­mann stattgefunden hatte, bei dem es nach dessen Erinnerung zu einem pikanten Flirt mit dieser Martha gekommen war. Der zweiten Martha hin­gegen, der jetzigen»Frau v. Neve«, sagt er ein fortgesetztes»Merkwürdig­keitsleben« nach, ohne allerdings zu erklären, worin es besteht. Vielmehr fährt er fort:»Sie hat jetzt ein Töchterchen und übt nach wie vor, speziell auch gegen uns, die Tugenden, die sie schon früher hatte: Freundlichkeit, Artigkeit, Aufmerksamkeit. Sie hat auch wohl einen Schimmer davon, daß