An wen schrieb Fontane ? Siebert 9 Zunächst war zu fragen: Ist Fontane an anderer Stelle auf das Buch zu sprechen gekommen? Die Frage, der bereits Waltraud Stephan nachgegangen zu sein scheint, ist zu verneinen. Sowohl Briefe wie Tagebuch aus dem zeitlichen Umkreis des Mai 1879 schweigen. Hoffnung auf die Identifikation des Buches in Fontanes Bibliothek durfte man sich nicht machen. Unverlangt eingesandte Bücher wurden auf dem Hängeboden deponiert und später verbrannt, sofern nicht zuvor junge Literatur-Liebhaber Interessantes herausgesucht und vor dem Feuer bewahrt hatten. Diese Reminiszenz hat Theodor Fontanes Patensohn Hans Sternheim im Jahre 1927 überliefert. 3 Einziger konkreter Anknüpfungspunkt ist die Nennung einer Firma Schleiermacher . Die Recherchen ergaben: Am 15. Dezember 1876 wurde eine Firma L. Schleiermacher, Verlagsbuchhandlung und Antiquariat, gegründet; die Anschrift lautete Berlin W, Leipziger Str . 109. 4 Der nächste Schritt war es, die Publikationen des Verlages Schleiermacher aus dem Jahre 1879 festzustellen. An der Durchsicht der Bände 21 und 22 von Kaysers Bücher-Lexikon, die die Neuerscheinungen der Jahre 1877 bis 1882 enthalten, 5 führte kein Weg vorbei. Es war ein extrem zeitaufwändiges Unternehmen. Verteilt auf kleine Portionen über einen längeren Zeitraum, immer wieder unterbrochen durch Zweifel an der Verhältnismäßigkeit von Aufwand und möglichem Ergebnis, konnte die Durchsicht endlich abgeschlossen werden. Heute hätte bzw. hat man es bequemer. Der online-Verbundkatalog K10 Plus erlaubt eine kombinierte Suchanfrage nach Verlag und Jahr. 6 Allerdings ist dabei ein möglicherweise unvollständiges Ergebnis in Rechnung zu stellen: Der Vergleich der Trefferzahlen erbrachte bei Kayser zwei Titel zusätzlich.(Nebenbei bemerkt: Auch die Frage, ob denn Kaysers Vollständiges Bücher-Lexikon hält, was sein Titel verspricht, wird wohl niemand guten Gewissens bejahen wollen.) Die Firma Schleiermacher war anscheinend ein eher kleiner Verlag. Mit rund zwanzig für das Jahr 1879 angezeigten Büchern war seine Produktion recht übersichtlich. Ohne die Publikationen anonymer und korporativer Verfasser sowie einer Verfasserin, ohne zweite Auflagen und ein neu herausgegebenes Andachtsbuch aus dem 17. Jahrhundert, die als Zusendungen an Fontane so gut wie bzw. gänzlich auszuschließen waren, blieben neun Titel übrig. Sie verteilten sich auf die folgenden sechs Verfasser: Bleibtreu, Carl Goltz, Hermann Laacke, Karl Christian Friedrich Lommatzsch, Siegfried Stüler, Adolf Taylor, Bayard Der gesuchte Brief-Adressat war schnell identifiziert. Ein Namensabgleich in dem umfangreichen Personen-Register der von Kurt Schreinert und Charlotte Jolles herausgegebenen Propyläen-Ausgabe der Briefe Fontanes 7
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(2022) 113
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