Fontane auf Französisch D'Aprile, Lerenard 17 Wyzewas Interesse an Fontane ließ auch in der Folge nicht nach. Bis in sein letztes Lebensjahrzehnt verfolgte er wichtige Neuerscheinungen und machte durch Besprechungen in Frankreich auf sie aufmerksam. 1898 veröffentlichte er in den Revues étrangères eine umfangreiche Besprechung von Fontanes letztem Roman Der Stechlin als dessen literarisches Testament. 15 Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass das französische Publikum schon früh sehr viel von Fontane kennenlernen konnte: Neben weiteren autobiographischen Schriften Fontanes – 1894 folgten die Kinderjahre in der Revue Bleue, 1895 Fontanes Erinnerungen an die Märzrevolution 1848 in der viersprachigen Literaturzeitschrift Cosmopolis – erschien zwei weitere Jahre später, im Jahr 1900, mit Effi Briest auch die erste französische Übersetzung eines Fontane-Romans in der literarischen Monatszeitschrift Le Monde moderne(1902 dann als Buch im Berliner Verlag von Friedrich Fontane ). 1905 veröffentlichte Wyzewa anlässlich des Erscheinens der ersten Ausgabe von Fontanes Briefen eine weitere Besprechung unter dem Titel Un homme de lettres allemand in der Revue des Deux Mondes , in der er – im Einklang mit allen späteren Kennerinnen und Kennern – Fontanes Briefe als einen bedeutenden Werkbestandteil mit ganz eigenen poetischen Potenzen ausweist. 16 Auch die zweite Sammlung der Briefe von 1910 blieb dank Wyzewa in Frankreich nicht unbemerkt. 17 Das spätere, von Heinrich und Thomas Mann überlieferte Diktum über Fontane als einen spezifisch preußisch-französischen Autor, der nicht zuletzt durch diese Prägung den deutschen Roman auf europäisches Niveau gebracht habe, findet sich hier schon vorformuliert: […] de tous les romanciers allemands, Fontane est le seul qui, probablement sous l’influence de son origine française, nous montre toujours cet instinct de mesure, cette élégance discrète, cette horreur de l’exagération aussi bien dans le sentiment que dans la pensée, toutes ces précieuses qualités que réclame, en matière d’art, notre goût latin. 18 In nuce aber ist diese Einschätzung bereits in seinem ersten großen Fontane-Essay von 1891 und in seiner Lektüre von Fontanes Kriegsgefangen angelegt: Vor den vielen anderen Schriften zum Deutsch -Französischen Krieg zeichne sich diese nach Wyzewa nicht nur durch ihre erstaunliche Unparteilichkeit aus, sondern vor allem dadurch, dass sie gut geschrieben ist(»Il est écrit avec une étonnante impartialité, et il a sur tous les autres l’avantage d’être bien écrit.«, S. III). Der hier folgende Abdruck von Wyzewas Fontane-Porträt in deutscher Übersetzung soll nicht nur ein – trotz seiner Erwähnung durch Hans-Hein rich Reuter vor mehr als 50 Jahren – in der Forschung weitestgehend vernachlässigtes Zeugnis der frühen internationalen Fontane -Rezeption bekannt machen, sondern auch dazu beitragen, dem deutsch -französischen Diskussionszusammenhang über Fontane und den realistischen Roman neuen Schwung zu verleihen. 19
Heft
(2022) 113
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