18 Fontane Blätter 113 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Téodor de Wyzewa: Theodor Fontane . Ein naturalistischer Romancier in Deutschland Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 in Neuruppin in der Mark Brandenburg geboren. Er stammte aus einer dieser französischen Familien, die nach der Revokation des Edikts von Nantes von 1685 in Deutschland Zuflucht fanden. Viele dieser Familien traten damals in den Dienst rheinischer oder pfälzischer Fürsten, die kurz zuvor zum Katholizismus übergetreten waren. Also konvertierten sie ebenfalls, um sich die Gunst dieser Fürsten zu sichern. Daher begegnet man insbesondere in diesen Gegenden oft Deut schen , deren Familien aufgehört hatten, französisch zu sein, um nicht katholisch zu werden, und die dann, kaum in Deutschland angekommen, katholisch wurden. Demgegenüber konnten die französischen Familien, die in die Mark Brandenburg gezogen waren, protestantisch bleiben. Sie scheinen sogar mit besonderem Eifer darauf geachtet zu haben, jegliche Bande an ihr Herkunftsland zu kappen, so dass ihre Nachkommen – trotz ihres französischen Namens – nahezu perfekte Preußen wurden. Das ist auch bei Theodor Fontane der Fall. Ihn kann man nicht wie den Philosophen Nietzsche als Deutschen aus Zufall bezeichnen. Bei Fontane erinnert nichts an seine französische Herkunft, außer vielleicht seine tiefe Zuneigung zur Mark Brandenburg – einem Landstrich, dessen feiner verborgener Reiz dem etwas brutalen Geschmack der Deutschen abgeht. Im Alter von dreizehn Jahren wurde Fontane von seinem Vater auf eine Berliner Gewerbeschule geschickt, weil er Apotheker werden sollte. Mit sechzehn wurde er Apothekerlehrling, zuerst in Berlin , dann in Dresden und in Leipzig . Mit einigen Artikeln aus London für deutsche Zeitungen begann er, sich allmählich einen Ruf als Schriftsteller aufzubauen. Und als er 1849 in sein Land zurückkehrte, konnte er die Pharmazie aufgeben, um von seiner literarischen Arbeit zu leben. Fontane schrieb für verschiedene Zeitungen, aber vor allem für die Neue Preußische Zeitung und die Vossische Zeitung. Ob Innen- und Außenpolitik, Theater-, Kunst- oder Literaturkritik – er bearbeitete alle Themen. Er war ein gewissenhafter und sehr gut informierter Journalist. 1864 und 1866 wurde er Kriegsberichterstatter und folgte in dieser Funktion auch 1870 der preußischen Armee nach Frankreich . In Toul angekommen, wollte er unbedingt noch einen Abstecher nach Domremy machen, dem Geburtsort von Jeanne d’Arc . Französische Freischärler hielten ihn für einen Spion und sperrten ihn ein. Von Gefängnis zu Gefängnis verschleppt, erst in der Festung von Besançon , dann in Lyon , Moulins , Poitiers und Rochefort, verbrachte er schließlich die letzten Monate seiner Haft auf der Insel Oléron . Von den verschiedenen Episoden dieser Gefangenschaft berichtet er in die-
Heft
(2022) 113
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