Heft 
(2022) 113
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Eggers»Wochenzettel« 1870  Berbig 41 ihn mit anderen Erfahrungsberichten 1870/71 zu vergleichen. An einer län­geren Passage lässt sich das zumindest andeuten. Sie stammt aus den Tagen der Rückverlegung des Verletztenzuges nach Berlin : In Bezug auf das Ertragen des pestilentialischen Eitergestanks wurde zum Wohle des Ganzen eine harte Probe nothwendig, der sich auch nur ein Freiwilliger unterzieht und die ich auf mich nahm. Dies bleibt mündlicher Erzählung vorbehalten[]. Es war Nacht geworden, als wir Kreuznach passirten. Ich hatte mich im Dienst ein wenig zu lange auf der Rampe aufgehalten, der Zug geht ab und ich erwischte noch eben das Trittbrett und den Haltegriff des letzten Wagens,[] Aber siehe da! Dieser letzte Wagen hatte keine Verbindung. Die Thüren auf meiner Seite verschlossen. Kein Klopfen hilft, das Rasseln des Zuges übertönt Alles. Ich[] redete mir zu, kaltblütig zu bleiben.[] So ging es bis Bingen . Dicht vor dem Halten öffnet sich neben mir ein Fenster und ein Wärter schifft hinaus. Ich tappe mich hin und lasse mich hin­einziehn. Ich verbot ihm, davon zu reden; aber der Hallunk erzählte nachher, er habe[] den Hrn Professor gerettet. Ich sagte bloß:»Sie Schaaf! Schweigen Sie still!« 36 Das liest sich wie ein Beleg zu Napoleons Sentenz, vom Erhabenen zum Lä­cherlichen sei es nur ein Schritt. Der gerade dem unerträglichen Gestank von blut- und eiterverschmierten Verbänden heroisch standhielt, verwan­delt sich zu einer komischen Figur, die beinahe den Zug versäumt und aus einer ebenso schmerzlichen wie lächerlichen Situation durch einen wasser­lassenden Soldaten befreit wird. Nichts hat den Berichtenden gezwungen, diese kleine Peinlichkeit festzuhalten, nichts, sie so zu erzählen, und nichts, das drollige Selbstzitat als Pointe zu setzen. Wo eine Umkehrung denk- und allemal vertretbar gewesen wäre lang und breit von der Überwindung des Ekels zu schreiben und vom unglücklichen Missgeschick zu schweigen, entscheidet sich der Berichtende genau entgegengesetzt. Fontanes Spur verliert sich in diesen Aufzeichnungen nicht, immer ein­mal wieder wird ein erinnernder Markstein abgelegt. Aber die Nachfor­schungen müssen sich ihre Erfolglosigkeit gestehen. Am 5. November 1870, Eggers war am 31. Oktober wieder in Berlin eingetroffen, versammelte sich das Rütli, um»über Nöhls Angelegenheit« zu beraten. Dass er mit leeren Händen und spärlichen Informationen zurückgekehrt war, verargte nie­mand. Man erwies ihm sogar die Ehre,»das Hauptquartier und die in Nan­ cy « 37 vom neusten Stand Briefe vom Priester in Besançon und vor allem von Fontane selbst zu unterrichten. Fünf Wochen später war der Kriegs­gefangene heil zurück. Unter dem 8. Dezember 1870 hielt Eggers lakonisch im»Wochenzettel« fest:»Nöhl trat auf; er macht jetzt seine offiziellen Dank­besuche ab.« 38