42 Fontane Blätter 113 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte 4 War’s das? Nein. Und für den hier zur Rede stehenden Gegenstand doppelt Nein. Wer die kurze»Wochenzettel«-Notiz als weiteres Indiz für Fontanes Mangel an Dankbarkeit nimmt, hat einen einschlägigen Bezug übersehen. Fast möchte man den einen Ritterschlag nennen, auf zeithistorischer Ebene unbedingt. Kommen wir noch einmal zurück auf Fontanes Kurzporträt von Friedrich Eggers in seinen Lebenserinnerungen. Wägt man Eggers´ tatsächliche biographische Schnittmenge mit Fontane , kommt man nicht umhin, die wenigen Seiten kaum mehr als dürftig zu bezeichnen – als habe Fontane sie aus einer Augenblicksstimmung heraus niedergeschrieben, nicht gedankenlos, aber unbekümmert um Proportionen. Er unterschlägt nichts Wesentliches, und dennoch scheint als wesentlich das, was sich Eggers»durch den ganzen langen Winter 1870 auf 71 hin zur schönsten Lebensaufgabe« 39 gemacht habe: die Betreuung seiner mecklenburgischen Landsleute und Freunde an der französischen Kriegsfront. Doch nicht das allein. Von allem Literarischen, das Eggers geleistet hat, lässt Fontane eigentlich nichts gelten – mit einer Ausnahme: dessen Gedicht»Die Fahne vom 61. Regiment«. Die Verse, die eine Episode aus dem deutsch -französischen Krieg poetisieren, sind ihm so wert, dass er sie komplett zitiert. 40 Das mag angehen, möchte man meinen, und sich aus dem Autobiographischen ergeben haben. Ein Ritterschlag jedenfalls sei das nicht. Gewiss nicht. Der aber war schon Jahre zuvor, nämlich 1873, erfolgt – und an prominentem Ort: im zweiten Band von Fontanes Der Krieg gegen Frankreich 1870 –18 71. 41 Das Gefecht, aus dem das Gedicht seinen Stoff nahm, fand am 23. Januar 1871 bei Dijon statt. In unmittelbarer Nähe(Courcelles) hatte sich Eggers ein Vierteljahr zuvor aufgehalten und einen handfesten Begriff vom Kriegskampf gewonnen. Fontane arrangiert seinen Text nach dem Grundmuster seiner Kriegsbücher: Er referiert kurz Lage und Ablauf, listet Fakten auf, fügt, wo nötig, eine geographische Skizze bei und überlässt dann das Wort historischen Dokumenten. In seiner knappen Vorbemerkung heißt es: Die schwersten Einbußen hatte das 2. Bataillon 61. Regiments erfahren; in dem Kampfe um ein zwischen der Stadt und Chateau Pouilly gelegenes Fabrikgebäude waren der Fahnenträger des Bataillons und die ihn umgebenden Offiziere und Mannschaften geblieben. Der Feind fand die Fahne am folgenden Morgen unter einem Haufen von Leichen. Wir kommen weiterhin auf diese Vorgänge zurück. 42 Ohne Umstände wird das Wort weitergegeben an den Franzosen Edmund Thiébault. Dessen Aufzeichnungen in deutscher Übersetzung übernehmen die Regie. Über den Grad der Bearbeitung herrscht Ungewissheit. 43 In Thiébaults Worten liest sich die hier interessierende Kampfszene so: […] und das bald zu einem bloßen Häuflein gewordene Bataillon gab seine Anstrengungen nicht auf, uns zu werfen[…] Als es endlich die Unmöglichkeit erkannte, bildeten seine Ueberbleibsel ein Knäul, aus des-
Heft
(2022) 113
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten