Heft 
(2022) 113
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Eggers»Wochenzettel« 1870  Berbig 43 sen Mitte die Fahne in Qualm und Rauch emporragte. Um dieses Kriegs- und Ehrenzeichen begann sich jetzt der Kampf zu drehen; die Unsren wollten es an sich bringen; die Preußen wollten es nicht lassen. Es sank und richtete sich wieder auf; endlich ward es unter einem Hau­fen von Leichen begraben und unsre vom Sieg berauschten Franctireurs stürmten weiter[]. 44 Gleich nach dem französischen Bericht, der ohne jeden Kommentar bleibt, wandelt sich der Kern dieser Szene zur Zwischenüberschrift»Die Fahne vom 2. Bataillon 61. Regiments«. Der Kriegsbuchautor schaltet sich wieder ein, diesmal aber in anderer Stimmlage. Kein sachlich referierender Histo­riker redet, sondern ein vom dargestellten Ereignis Bewegter, um eine Me­taebene zu installieren. Jener»mit äußerster Erbitterung um die Fahne des 2. Bataillons 61 geführte Kampf« sei es gewesen, der dem Geschehen»einen poetischen Zauber geliehen« und gerade deshalb»im Herzen des Volks eine Stätte gefunden« 45 habe. Und Fontane steht nicht an, die Sentenz hinzuzu­setzen:»Das jenseits des Alltäglichen Liegende, das heroisch-Opfervolle, das ist es, was lebt und dauert.« 46 Der den Rahmen knüpft und komponiert, er fällt für einen Augenblick aus ihm heraus. Das Kompositionsprinzip, dem er folgt, erlaubt Einschübe dieser Art, kommt aber unumwunden wieder zum Zuge. Nicht er berichtet über den Kampf um die Fahne, sondern er lässt es einen anderen machen einen ungenannt bleibenden Preußen. Dieser Preuße liefert den Ton, den Fontane offensichtlich nicht selbst anschlagen will, aber für angezeigt hält: den pathetischen. Sergant Pionke, der Fahnen­träger, schreitet voran, wird angeschossen, dann von einer tödlichen Kugel getroffen.»Nun wurde die Fahne von verschiedenen Unteroffizieren und Mannschaften nach einander ergriffen; zuletzt vom Lieutenant Schulze. Aber alle starben den Heldentod.« 47 Selbst über den Verbleib der schnell auch beim Gegner zur Reliquie etablierten Fahne gibt nicht der Chronist Auskunft, sondern lässt sie wiederum geben: von keinem Geringerem als dem französischen General Philipp Toussaint Joseph Bordone. 48 Und an genau dieser Stelle, die den Verbleib der heroisierten Reliquie klärt und auf die literarische Karriere dieser dramatischen Kriegsepisode in»der deutschen Heimath« verweist, erfolgt Fontanes Ritterschlag:»Das beste dieser Fahnenlieder«, erklärt er, rühre»von dem seitdem verstorbe­nen Friedrich Eggers « 49 her. Und wie ein Vierteljahrhundert später in sei­nen Lebenserinnerungen teilt er den vollständigen Text des Gedichts mit: Die Fahne vom 61. Regiment Wo ist die Fahne geblieben Vom einundsechzigsten Regiment? Im Kampf umhergetrieben