50 Fontane Blätter 113 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Hinzu kam, dass die Vorlage der Übersetzung, die erstveröffentlichte Fassung von Catherines Gores Roman, bislang unbekannt war. Wie schon Otto Pniower wusste man nur von der Buchfassung aus dem Jahr 1843 sowie von deren 1846 in der Stuttgarter Übersetzungsfabrik des»Belletristischen Auslands« erschienenen deutschen Übersetzung. 8 Bis in die jüngste Zeit mussten so grundlegende Fragen wie etwa nach der Entstehungszeit oder den Eigenheiten der Fontane´schen Übersetzung sowie daraus abgeleitete Deutungsperspektiven notwendig spekulativ bleiben. 9 Tatsächlich ermöglichte erst die digitale Wende in den Geisteswissenschaften bzw. die zunehmende Digitalisierung der internationalen periodischen Presse des 19. Jahrhunderts das Auffinden der Erstveröffentlichung von Gores Roman im Jahrgang 1842 der schottischen Literaturzeitschrift Tait’s Edinburgh Magazine, die Fontane als Übersetzungsvorlage diente. Nun erst ließ sich die Frage nach Fontanes originären Übersetzer-Leistungen auf gesicherter Vergleichsebene stellen. Zudem konnten durch wechselseitigen Abgleich von Typoskript, Originaltext und Pniowers Manuskriptbeschreibung die gröbsten Tipp- und Transkriptionsfehler identifiziert und so eine Textvorlage erstellt werden, die eine Veröffentlichung verantwortbar werden ließ. Darüber hinaus ergänzten sich von hier aus wie in einem Puzzle die unterschiedlichen Überlieferungsbestände, sodass sich viele der bis dato ungeklärten Fragen zum Status der Übersetzung klärten: (1) Erstens konnte Gores Roman in der Medienumgebung und vor dem Hintergrund des Zeitschriftenprogramms von Tait’s Edinburgh Magazine unter der Herausgeberin Christian Isobel Johnston lokalisiert und näher charakterisiert werden. (2) Dies wiederum ermöglichte gesichertere Aussagen zum Entstehungszusammenhang von Fontanes Übersetzung im Umfeld der Leipziger Literaturzeitung Die Eisenbahn, der sich wesentlich als ein über Zeitschriften medial vermittelter internationaler Literaturtransfer offenbart. (3) Schließlich ließ sich mit Hilfe der im Fontane -Archiv aufbewahrten Korrespondenz des Friedrich Fontane Verlages und genealogischer Recherchen zur Familie Günther die Überlieferungsgeschichte des Manuskripts genauer rekonstruieren, aus der sich weitere Belege zum Entstehungskontext und zur Datierung der Übersetzung ergeben. 10 1. Catherine Gores Abednego the Money-Lender in Tait’s Edinburgh Magazine Catherine Gores Roman Abednego the Money-Lender ist zuerst in neun Folgen zwischen März und Dezember 1842 in der literarisch-politischen Zeitschrift Tait’s Edinburgh Magazine erschienen. Eine spätere Buchfassung publizierte Gore 1843 unter dem Titel The Money-Lender mit einem Vorwort
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(2022) 113
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