Heft 
(2022) 113
Einzelbild herunterladen

Aufklärung zu einem Medaillon  Seiler 143 gab sich dort wegen seiner Mittellosigkeit den Namen»Irus«,»der Bettler«, war aber wohlgelitten. Neben ihm und Eggers gehörten der Kammerge­richtsrat Wilhelm von Merckel und seine Frau zu der Runde, der Schriftstel­ler Otto Roquette , der Architekt Richard Lucae und der Rechtsanwalt Karl Zöllner. Fontane selbst stand zwar auch wegen der Jahre in London im­mer etwas abseits, doch seine Frau wurde von den Junggesellen als Ellora ­Mutter‹ bezeichnet und nannte ihrerseits Wilhelm Lübke einen ihrer Ellora ­Söhne‹. Im August 1859 unternahm Fontane mit ihm und weiteren Freunden eine Fahrt in den Spreewald, und im September ›wanderte‹ er sogar mit ihm allein für eine Woche durch die Altmark, jeder für sich mit seinen Studien befasst. Nach Lübkes Wegzug aus Berlin setzte sich der Kontakt in Briefen und Besuchen fort. Wie selbstverständlich rezensierte Fontane Lübkes kunstgeschichtliche Bücher und dieser von ihm Gedichte und Romane, und auch noch Lübkes Lebenserinnerungen, im Verlag von Fontanes Sohn er­schienen, würdigte er»nicht ganz einfach« einer Besprechung. 10 Was Fontane von Lübke hielt, ist dennoch nicht leicht bestimmbar. Zwar hat er nicht weniger als acht gereimte»Toaste«, also Gedichte, auf ihn ver­fasst, doch was er an ihm schätzte, ist ihnen nur vage zu entnehmen. Er lobt seine praktische Klugheit, seinen schnellen Witz, seine Kenntnis auch von »agio und giro«, also von Bankgeschäften, weiß ihn immer gut für das,»was freut, frischt, frommt« und findet ihn»berlinischer« als jeden waschechten Berliner . 11 Zu seinem Tod 1893 jedoch schreibt er hintergründig an Georg Friedlaender :»Auch ein Kapitel, aber blos für mündliche Behandlung geeig­net.« 12 Zu Ellora -Zeiten hatte sich die fünfzehn Jahre ältere Henriette von Merckel an seiner»Naivetät« ergötzt 13 und ihr Mann zu bewundern erklärt, wie er sich zum Professor und Ehemann»sachte herauf geläppert« hätte. 14 Zumal seine Heirat schuf damals die größte Verlegenheit: Mit 32 Jahren nahm er eine 41-jährige Witwe zur Frau. Einzig Fontane hatte, nach anfäng­lichen Befürchtungen,»nichts Schlimmes darin finden« wollen. Entweder habe Lübke»eingedenk alter Liebesdienste[...] einfach anständig gehan­delt«, oder er habe»die schwache Hülle über die starke und schöne Seele vergessen«. 15 Da sich die Frau dann aber gut in den Berliner Kreis einfügte besonders Fontanes Emilie gefiel sie 16 , rückte sich der Umgang mit ihm nach und nach zurecht. Für Fontanes Verhältnis zu ihm trifft man es wohl am besten, wenn man von guter Kameradschaft spricht. Als unkompliziert, aufrichtig, zuverlässig hatte sich Lübke stets erwiesen, und wenn Fontane ihn auch sicherlich für etwas oberflächlich hielt»Wer spinnt so brav von seinem Wok/ die Bücher ab im dritten Stock«, hatte er schon 1860 gereimt 17 , so drückte sich darin auch sein Abstand zum Metier der Kunstgeschichte überhaupt aus. Die Kunsthistoriker könnten einem»nachgerade leid tun«, schreibt er 1881 an den Tunnel-Freund Moritz Lazarus , nicht auf Lübke bezogen, aber ihn na­türlich einschließend. In jungen Jahren hätte auch er einen Kunstprofessor