Heft 
(2022) 113
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158 Fontane Blätter 113 Rezensionen Effi ihrer Mutter zuweisen möchte, entsprechen. Das stimmt aber nicht ganz, denn die»drei Binsenstühle«(HFA I/4, S. 61) stehen in einem der vier einfenstrigen Zimmer, während Effi daran denkt, die Mutter in das eine jener beiden Fremdenzimmer unterzubringen, zu denen der so genannte »Saal«(HFA I/4, S. 61 u. ö.) umgebaut werden könnte. Die vielleicht bedroh­liche Gegenwart der Mutter hängt nicht an solchen Einzelheiten, könnte aber anders begründet werden. Als dramatische Vorgeschichte erweist sich nach Zumbusch die Gegen­wart der zu Romanbeginn geschlossenen Ehe, die scheinbar glücklich ver­läuft, im Rückblick aber einerseits als längst vergangene Epoche auf einem fernen Stern wahrgenommen, andererseits als nach wie vor aktuelles Motiv für Duell und Scheidung bewertet wird. Wieder verursacht das»Gerede« alles. Und natürlich beeinflusst es das Verhalten Innstettens. Aber Innstet­ten entscheidet sich fürs Duell nicht deshalb, weil»ein anderer von ihr[der Ehebruch-Geschichte] erzählen könnte«(S. 244). Nicht der drohende Um­lauf einer neuen ›Geschichte‹ lässt ihn handeln, sondern die elementare »Komödie«, das gesellschaftliche ›Spiel‹ mit und ohne Worte. Gewiss rich­ten persönliche und mediale»Klatschbasen«(dazu unbedingt Hannelore Schlaffers Beitrag in Boccaccio und die Folgen, 2006), seis in der Novelle, seis in der Konversationskomödie, erheblichen Schaden an. Aber nicht »Klatsch« muss Innstetten fürchten, sondern sein eigenes Bewusstsein. Das hebt ihn heraus aus der Masse der modernen Duellanten um nichts und wieder nichts. Ihn am Ende Trost suchen zu lassen bei»Klatschgeschichten« (S. 248 f.), scheint mir trotz Wüllersdorfs Empfehlung kein Bestandteil von Innstettens ›Nachgeschichte‹ zu sein. Eine weitere Vorgeschichte rückt im folgenden Kapitel als»Dunkel der Vorzeit: Weiblichkeit und Prähistorie« in den Vordergrund. Es geht um »das eigentlich nicht besprechbare Begehren der Frauen«(S. 253) und um ein»prähistorische[s] wie ethnologisch weit entfernte[s] Frauenrecht«(S. 254), das in Effis»Beichte«(S. 252) anklinge(Innstettens Mangel an ›rechter Liebe‹ betreffend). ›Beichtet‹ sie so? Im Stechlin, wo auffallend oft auf die Uhr geschaut wird, beobachtet Zumbusch eine konsequente»Austreibung der Vorgeschichte«(S. 255). Stattdessen dominiere mit Figuren wie Armgard und Agnes»eine den alten Skandalgeschichten radikal entgegengesetzte Zukunftsoption«(S. 260). Es überrascht dann doch, dass angesichts der»Reminiszenzen einer histori­schen Tiefenzeit« von einer»Sättigung mit einer Vorgeschichte«(S. 281) die Rede sein kann. Gewiss fällt jetzt Fontanes ›entschleunigtes‹ und am»natürlich fort­schreitenden Zeitlauf«(S. 281) orientiertes lineares Erzählen auf. Da läge es doch nahe(wie schon bei Stifters Annäherung an den Stil des Epos), dies mit Homers epischem Stil zu vergleichen, von dem im Fontane -Kapitel nicht mehr die Rede ist. Und käme hier nicht eher zur Geltung, was über Homers