10 Fontane Blätter 114 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes der Behördenleitung hatte Metzel daher eine»Provinzial-Correspondenz« für Ostpreußen begründet, einen kostenlosen Artikeldienst für Lokalblätter mit Nachrichten und Kommentaren, an deren Verbreitung der Regierung gelegen war. Den gleichen Zweck verfolgte das ambitioniertere Projekt einer»Deutsch-englischen Correspondenz«, die der preußenkritischen Haltung der britischen Presse und ihrem Widerhall in Deutschland entgegenwirken sollte. Was Metzel vorschwebte, war ein täglicher Digest von englischen Zeitungsmeldungen und Stellungnahmen mit propreußischer Tendenz, dessen aufwändige Erstellung durch die Abonnementsgelder deutscher Blätter finanziert werden würde. Den Plan in die Tat umzusetzen, wurde Fontane , der als anglophil bekannt und durch sein Reisebuch von 1854 als(vermeintlicher) Kenner von Land und Leuten ausgewiesen war, im Herbst 1855 nach London geschickt. So gern der Dichter aber die Chance eines längeren Englandaufenthalts ergriffen hatte, so skeptisch beurteilte er von vornherein die Erfolgsaussichten. In der Tat konnte sich das Unternehmen weder kommerziell noch politisch durchsetzen und wurde mit Ende des Krimkriegs Ende März 1856 wieder eingestellt. Dass Fontane trotzdem auf Staatskosten weiter in London bleiben konnte, hatte er in erster Linie Metzel zu verdanken. Ob und inwieweit Preußen in der Folgezeit von seiner Wirksamkeit in der deutschen und englischen Presse profitiert hat, ist ungewiss; für die persönliche und literarische Entwicklung des Dichters sollten die gut drei Jahre in England jedenfalls eine entscheidende Wende markieren. Denn während für Metzel die politische Mission im Vordergrund stand, betrachtete Fontane journalistische Betätigung lediglich als Mittel, den Lebensunterhalt für sich und die Seinen zu erwerben, verfolgte im Übrigen aber eigene Interessen. Bei allem Wohlwollen beiderseits war ihre Zusammenarbeit daher nicht immer spannungsfrei, wie der dichte Briefwechsel zwischen London und Berlin bezeugt. Leider sind jedoch nicht alle in Fontanes Tagebuch verzeichneten Schreiben an Metzel auch im Berliner Geheimen Staatsarchiv überliefert, obwohl es sich unbeschadet des oft persönlichen Tonfalls um eine amtliche Korrespondenz handelte. Dass einer der verschollenen Briefe 2001 auf dem Autographenmarkt aufgetaucht ist 4 , hat aber die Hoffnung aufkommen lassen, dass auch die übrigen noch irgendwo erhalten sind. Das Dienstverhältnis der beiden endete mit Anbruch der Neuen Ära im Herbst 1858. Wenige Tage nach Manteuffels Fall wurde Metzel von seinem Posten abgelöst, während Fontane , der sich in London zunehmend isoliert fühlte, den Machtwechsel in Preußen zum Anlass nahm, nach Berlin zurückzukehren.»Halb-heimlich«, so heißt es in einem Brief an seine in England zurückgebliebene Frau, sei er noch am gleichen Abend»bei Metzel gewesen, den ich freundlich gegen mich, aber doch ziemlich verbittert vorfand. Ueberhaupt Haß, Heftigkeit, Grobheit, Bitterkeit überall.« 5 Wie sich herausstellen sollte, konnte der gewesene Direktor der Centralstelle, einflusslos wie
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(2022) 114
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