Heft 
(2022) 114
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12 Fontane Blätter 114 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Abends zu Wispel, wo»historisch-oenologische«. Ausnahmsweise gut besucht. Metzel, Zitelmann , Piersson, Holtze jun., von Lossow und ­Theodor Fontane , eine interessante hübsche Erscheinung. Plaudern lange und sehr angenehm, meist Zeitgeschichte. Bismarck und seine Bio­graphie usw. Metzel erzählt unter anderem, wie sehr sich Bayern s.  Z. gegen das»Reich« gesträubt habe. Graf Holnstein mußte in Tegernsee geradezu mit Entwaffnung der bayerischen Truppen u. dgl. drohen. Lan­ge nach Mitternacht brachen auf. 12 In Anbetracht der relativen Nähe von Metzel und Konsorten zu Regierungs­kreisen kann es nicht überraschen, dass vor allem Bismarcks Person und Politik immer wieder für Gesprächsstoff sorgten, so auch am 16. April 1890, beim ersten Treffen des Stammtischs nach der Entlassung des Kanzlers: Abends zu Endergast, wo Fontane-klub. Anwesend Fontane, Zitelmann , Dr. Holtze, Prof. Pierson und Metzel. Es wird natürlich viel über Bis­marckkrise gesprochen. Allgemeine Ansicht, daß Caprivi eigentlich nur Übergang zu Waldersee . Will mir auch so scheinen. Metzel meint, der Fürst wollte auch den Herzog v. Ratibor als Mittelsmann benützen, der ist aber ausgewichen. Hat sich auch gehütet, dem grollenden Bismarck in einer Herrenhaus-Sitzung Gelegenheit zum Austoben zu geben. Man­cherlei Reminiszenzen an Manteuffels Sturz: an Schwierigkeiten der amtlichen und offiziösen Presse in den 50er Jahren. 13 Die Erinnerung an gemeinsam verlebte alte Zeiten, verbunden mit der Aus­sicht, Neuigkeiten zu erfahren und seien es auch nur Gerüchte, war es, was Fontane die Gesellschaft seiner Stammtischbrüder suchen ließ. Was ihn dagegen zunehmend von einer Teilnahme abhielt, war seine chronische Sorge vor Erkältungen . So entschuldigte er sich, zwischen Neugier und Hy­pochondrie hin- und hergerissen, 1892 einmal mit den Worten: [...] wenn man so einsam lebt wie ich und trotz aller Decadence doch immer noch die Lust hat was zu sehn und zu hören, namentlich in dieser Ahlwardt -Zeit, so verzichtet man höchst ungern auf gesellige Zusam­menkünfte, wo man für seinen Wissensdrang ´was hat. Aber die Berli­ ner Lokale sind zu mörderisch, überall schleicht»Möros, den Dolch im Gewande«, wobei es gleichgültig ist, welche Formen der Dolch annimmt. Auch wechselt er mit den Jahreszeiten, Winters Zug und sibirischer Fußboden. Man kriecht also am liebsten hinter den eignen Ofen. Mit der Bitte um Verständnis für seine Absage verband er zugleich»Schöns­te Grüße u. Empfehlungen an den Stammtisch, besonders an die beiden Geheimräthe: Zitelmann und Metzel.« 14 Eine letzte Verabredung lässt sich für Mai 1895 nachweisen.»Wenn ich irgend kann, bin ich am Dienstag in dem bezeichneten Lokal«, hatte Fonta­ne auf Pindters schriftliche Einladung erwidert. 15 Als sich der umtriebige Journalist dann im Wirtshaus»Carlsbad « am Potsdamer Platz einfand, musste er jedoch enttäuscht feststellen, dass nicht nur Zitelmann fehlte: