Heft 
(2022) 114
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Vom Bild zur Bewegtheit, vom Fragment zum Flow  Igl 47 es geschieht nichts drin.«(Ebd.) Nun ist jedoch das Stadtbild völlig verwan­delt, wie Fontane ekphrastisch skizziert: Wer jetzt aus dem Opernhause kommt die Linden hinaufgeht und durch die Spiegelscheiben des Café Bauer eine kosmopolitische Gesellschaft |unter den großen Wandbildern Anton v. Werners plaudern und sitzen oder ­die bunten Glasfenster im ersten Stock der Passage wie die Fens­ter eines gothis romanischen Märchenbaus erglühn und dann zwischen den Straßenlaternen jene Milchglas=Affichen liest die die Vorstellung wecken als ob eine ganze Straße lang nur gegessen und getrunken wür­de, der wird nicht von Einöde sprechen können und W. v. Humboldt selbst, wenn er des Weges zöge, würde das Berlin von 1808 darin nicht wiedererkennen. Ueberall Leben und Luxus. Aber die neuste Wandlung, die Berlin erfahren hat, ist doch die größte, deshalb die größte, weil sie nicht diesen oder jenen Punkt, am| wenigsten aber schon bevorzugte Punkte aufs Neue bevorzugt, sondern weil sie dem Ganzen eine neue Physiognomie gegeben hat. Ich spreche natürlich von der Stadtbahn. ­Ueber ihre Bedeutung oder ihre Anlage oder ihren Betrieb zu sprechen ist nicht meines Amtes, ich nehme sie nur von der künstlerischen Seite, von der Bildseite her und freue mich der Vorzüge, die Berlin als Stadtbild dadurch gewonnen hat. Und ­Diese Vorzüge sind groß.(Ebd.) In dem nur zwei Zeilen umfassenden letzten Absatz des kurzen Textes findet nun ein bemerkenswerter Wechsel des Diskursmodus statt, der durch einen Tempuswechsel markiert ist:»In langem Staunen sah ich die Stadtbahn ent­stehn. Ich sah sie mit ihren kerbungsreichen Bogenviadukten wie eine rie­sige Raupe über die Hauptstadt kriechen.«(Ebd.) In diesem Zweizeiler ist nicht nur eine raum-zeitliche Komprimierung zu beobachten(metaphori­sche Manifestation des langwierigen Bauprozesses, Tableau-artige Szene­rie des sich wandelnden und zugleich gewandelten Stadtbilds), sondern in der Ausfaltung der Doppelperspektive von Erzählraum und erzähltem Raum auch die Grundlage einer Narration angelegt. 21 Hervorgehoben wird das Umschlagsmoment des Textes noch durch einen weiteren Aspekt, nämlich das für Fontanes kreativen Prozess typische Vorgehen der kombinatori­schen Nutzung verschiedener Texttypen und Diskursmodi: 22 Wie im edito­rischen Stellenkommentar erläutert, gibt sich das Fragment zunächst den Anschein eines journalistischen Textes. 23 So imitiert das der Datumsanga­be»Berlin 19. Februar« vorangestellte»*«(ebd.), wie die Herausgeberin­nen vermerken,»die Sigle eines Journalisten, als handle es sich um einen Zeitungsartikel«(F II, 327). Der(inszenierte) Textsortenwechsel im letzten Absatz des Fragments markiert den ›Sprung ins Erzählen‹ umso deutlicher. Der listenhafte Kurztext Das Frigidarium(F I, 404) bietet demgegenüber ein anschauliches Beispiel dafür, wie das narrative Verfahren des ›angehal­tenen Moments‹ zugleich als Verfahren der ›Formatierung‹ von Stoffen in ­Fontanes»Arsenal der Möglichkeiten« dienen kann. Wie in den editorischen