76 Fontane Blätter 114 Dossier: Fontanes Fragmente den wie faszinierenden Frau. Ohne Zweifel sind mit dem Farbattribut die ›sozialpolitischen‹ Züge im Leben der Helene von Dönniges gemeint: ihre Begegnung mit dem sozialdemokratischen Lassalle und ihre Ehe mit dem sozialistischen Schewitsch. Selbst ihr Vater, eigentlich das Gegenteil eines ›Linken‹, wurde einmal»rother Dämon« genannt. 27 Selbstverständlich spielt aber auch das Rot ihrer Haare hinein und deutet an, weshalb das»rothgoldene Nixenkind« 28 sowohl fasziniert als auch alarmiert bzw. provoziert. 29 Weniger ist hier an ihre eigene Einstellung zu denken, betont sie doch selbst ihre unpolitische Natur, 30 auch wenn sie den Rassismus in den USA kritisiert, sich gelegentlich ›emanzipiert‹ zeigt und frei über das»sexuelle Element« spricht, das in der Ehe stimmen müsse. 31 Welche Rolle bei dieser Markierung Helenes mütterlicherseits jüdische Herkunft spielen sollte(schon im »W.’schen Hause« fiel die» ⌐ leis gebogene Nase« auf), ist nicht erkennbar. Im elterlichen Widerstand gegen eine Verbindung mit Lassalle spielt das eine große Rolle. Wie es allerdings zur»Maus«-Titulatur kommt, ist nicht so klar. Nicht auszuschließen ist ein Faust-Zitat aus der Walpurgisnacht 32 und folglich alles, was sich sinngemäß anschließen lässt. Aber vielleicht genügt auch schon ein Hinweis auf das sprichwörtliche Verwandlungsmotiv, das im Glauben an die»rote Maus« mitschwingt. 33 Es wäre dies dann schon die dritte ›Anspielung‹ im Titel für einen Werkplan, in dessen entstehungsgeschichtlichem Vorfeld schon»Heine« anklang und dessen Auftakt auf»Josephine« anspielt. Selbst eine Abwandlung des Ovid -Verses über die ›Maus‹Geburten mancher ›Berge‹ mag vorliegen. Ein bunt schillernder Stoff mit ost-westlicher, ja transatlantischer Spanne, fast schon zu ›fesselnd‹! Weder George Meredith noch Stefan Heym haben ihn so ausgewertet. Und so, wie sie es taten, leicht wiedererkennbar mit wörtlichen Zitaten aus der Rechtfertigungsschrift der eine, direkt als biographischer Roman mit freien Ergänzungen der andere(was zum Beispiel Helenes Beziehungsmanagement gegenüber zwei Männern betrifft), hätte es Fontane wohl kaum gewollt. Das ›Szenarium‹ Fontanes Projektskizze sieht wie eine Liste aus, ist aber strukturiert und gleicht eher schon einem kompletten Szenarium. 34 Mehr noch: trotz der gebotenen Aufzählung von Elementen, die den»Dönniges-Stoff« in bereits modifizierter Form und nach ›Epochen‹ aufgeteilt präsentiert, fällt nach dem Titel zuerst eine ›Selbstverpflichtung‹ des Autors ins Auge, nicht eigentlich ein Bauplan, sondern eine als notwendig erachtete Transponierung des Ganzen, 35 die»es«, den»Dönniges-Stoff«, sowohl zeitlich als auch räumlich ›verlegt‹ – das Formulierte entspricht dem Auftritt eines»Puppen-
Heft
(2022) 114
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