Aus Fontanes Papierkorb Möller 127 trachte, finde dies immer neu bestätigt. Eine Fülle von Trost und Erhebung liege darin.« Das Gros der beteiligten Autoren, die sich zu der Umfrage äußerten, war sich der gemeinsamen Verantwortung der Vertreter von Wissenschaft und Kultur beider Nationen bewusst und bejahte, trotz der nach wie vor verhärteten politischen Situation, eine Annäherung beider Länder. Auf bewundernswerte Weise hat August Bebel die Problematik in seinem Statement beschrieben. Wilhelm Förster erläuterte seine mit dieser Umfrage verbundenen Hoffnungen:»Die Probleme der politischen, der wirthschaftlichen und vor allem der ethischen Einigung der Menschenwelt sind jetzt so drängende und gewaltige, dass ›alle Mann‹ an diese Arbeit gerufen werden müssen.« 25 Gerhart Hauptmann antwortete dagegen schlicht:»Ich kann auf Ihre Frage keine Antwort geben[…] ich weiss keine.« 26 Aber es gab hüben wie drüben auch einige chauvinistische und nationalistische Stellungnahmen, etwa die von Felix Dahn . Der seit 1869 in Paris lebende polnische Schriftsteller, Kritiker und Übersetzer Téodor de Wyzewa , von dem in Heft 113 der Fontane Blätter das Vorwort zur ersten französischen Übersetzung von Kriegsgefangen zu lesen ist, antwortete auf die Umfrage: Nein, ich glaube nicht, dass es für Frankreich irgend einen Vortheil bedeuten würde mit Deutschland nähere geistige Beziehungen zu pflegen. Ich sehe absolut nicht was Frankreich daran gewinnen würde, da doch jetzt Herr Sudermann bei uns so berühmt ist als in Berlin , da unsere Opern-Theater sich um das Hänsel und Gretel des Herrn Humperdinck streiten, da Wagner, Nietzsche und Herr Theodor Fontane uns vertraut geworden sind und der Ruhm des Herrn Hauptmann in Paris gerechtfertigt wurde. Es giebt wohl noch die Romane des Herrn Holländer und die Novellen des Herrn Hermann Bahr , die wagner´schen Opern des Herrn Richard Strauss , die satanischen Gedichte des Herrn Fuchs, die Allegorien des Herrn Stuck und die Vaudevilles des Herrn Blumenthal: aber das alles, ich versichere Sie, ist schon unterwegs zu uns herüber zu kommen, ohne dass wir uns um die besten Mittel zu bekümmern hätten, es zu holen. Dagegen sehe ich sehr klar, wieviel Schaden der deutsche Einfluss dem französischen Geist schon zugefügt hat, seit den zwanzig Jahren, in welchen er frei, beständig und unermesslich über uns herrscht. Dieser Einfluss hat ihm beinahe seine kostbarsten Tugenden, das Bedürfniss nach Ordnung und Klarheit geraubt, seinen Instinkt discreter Eleganz und diesen Geschmack der Formvollkommenheit, welcher sich täglich bei uns abschwächt. Ich möchte damit nicht die Originalität und die Grösse des germanischen Genies leugnen, besonders in seinem früheren Zustande, vor dem 1870 plötzlich durch die Einigung und die berliner Centralisation geschaffenen neuen Deutschland : ich behaupte aber, dass dieses Genie das entgegengesetzte des französischen ist, dass es
Heft
(2022) 114
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten