Heft 
(2022) 114
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Laudatio auf Eda Sagarra  Holzner 139 kannte Autorin, Gräfin Ida von Hahn-Hahn (1805–1880), zur katholi­schen Kirche übergetreten war, um bald darauf in einem französischen Kloster unterzutauchen. Aus einer Thais war sozusagen eine Magdalena geworden[]. 5 Die Literaturwissenschaft hat sich lange gesträubt, sich mit Büchern wie jenen von Ida von Hahn-Hahn und mit dem Markt, den sie beherrscht haben, zu beschäftigen; hat doch schon Joseph von Eichendorff derartiger» Salon­Poesie der Frauen« 6 scheinbar ein für allemal das ihr zustehende Urteil ge­sprochen. Eda Sagarra aber registriert, wie diese Bücher in den katholi­schen Leihbüchereien noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verzeichnet bleiben, welche Rolle sie in den Listen des Borromäusvereins(und damit noch lange in den diversen Volks- und Pfarrbibliotheken) spielen; und sie schlägt sogar hin und wieder gerne nach in den verschiedenen Volks- und Dienstbotenkalendern: Was da doch alles salonfähig war oder als salonfä­hig bezeichnet wurde, was da an Diskursen zu sozialen Konflikten, zu The­men wie Staatstreue, Vaterlandsliebe, Antisemitismus oder Ultramontanis­mus ablief, das alles nämlich vermittelt erst angemessen den Rahmen, auf den, wie Eda Sagarra immer wieder nachweist, auch Fontane reagiert: dabei in den autobiographischen Schriften oft durchaus so, dass sich der Eindruck festsetzen kann, er teile in vielem die Ansichten seiner Umgebung; in seinen Romanen hingegen wesentlich differenzierter, denn sie verweisen eben doch auf ein eklatant komplexes, verschlungenes System von Zeichen und Andeutungen, das dafür sorgt, dass sie sich zu Zeitromanen erweitern, die alle Krisen des 19. Jahrhunderts mit Argusaugen verfolgen. Dass Eda Sagarra in ihren diesbezüglichen Studien zur deutschen Men­talitätsgeschichte wiederholt auf die Rolle der Jesuiten zu sprechen kommt, ist übrigens nicht weiter verwunderlich. Es dürfte genügen, hier an eine Anekdote zu erinnern, die John Banville vor kurzem erst überliefert hat, in seinem Buch Spaziergänge durch Dublin. Dort berichtet er, einer seiner Freunde hätte eines Tages einen Lehrer aus jener Jesuitenschule getroffen, die seinerzeit schon James Joyce besucht hatte, und er hätte, ziemlich un­vorsichtig, diesen Priester auf den wohl berühmtesten Schüler seiner Ein­richtung angesprochen. Banville :»Die Folge war ein jähes, zentnerschwe­res Schweigen, das der ehrwürdige Pater schließlich brach, indem er sich räusperte, zur Decke hinaufsah und murmelte: ›Ach ja, der Joyce. Nicht un­bedingt einer unserer Erfolge.« 7 Die Perspektive! Unermüdlich betreibt Eda Sagarra das keineswegs lu­xuriöse Geschäft der akkuraten Darstellung aller Perspektiven der Erzäh­ler sowie der Figuren Fontanes. Nicht zuletzt mit Blick auf die konstant bri­sante Frage des Antisemitismus in seinem literarischen Werk. Vieles, was Ruth Klüger in ihrem Aufsatz über Die Leiche unterm Tisch attackiert hat, kann Eda Sagarra deshalb» als Zeitkommentar in Form von personifizier­tem Vorurteil« 8 ausweisen um damit in vornehmer Manier und doch glas-