Heft 
(2022) 114
Einzelbild herunterladen

162 Fontane Blätter 114 Rezensionen durch Folter erpressten Geständnissen wurde schließlich der Weg frei, die drei Beschuldigten am 22. März 1619 grausam hinzurichten. Der Stadtrat konnte der Bevölkerung Täter präsentieren. Faire Prozesse hatten sie nicht, auch wenn moderne Rechtshistoriker auf der Grundlage unvollständig pu­blizierter Dokumente dargetan haben, dass die Verfahren formaljuristisch korrekt abliefen. Erst die Autorin hat durch den Vergleich von Aussagen, Textentwürfen und Reinschriften deren Manipulation etwa mit dem Ziel, die Erlaubnis zur Anwendung der Folter zu erwirken, belegen können. Die grausamen Urteile sollten abschrecken, was sie aber nicht taten. Es folgte eine weitere Brandstiftung, die zu dem ebenfalls aktenkundigen Prozess gegen den ehemaligen Stadtdiener Andreas Lüttke führte, der im Mai 1621 hingerichtet wurde. Im zweiten T eil, überschrieben»Kommentar«, werden die genauen Ak­tenzeichen und(ggf. annähernden) Datierungen der Aktenstücke vermerkt sowie die jeweiligen Textgrundlagen beschrieben. Korrekturen, Streichun­gen, Ergänzungen, die die Textgenese dokumentieren, erscheinen unter »Varianten«. Die»Anmerkungen« das sind etwa personen- und ortskund­liche Informationen, Erläuterungen schwer verständlicher Begriffe, Über­setzungen lateinischer Passagen erscheinen unter Angabe der Drucksei­ten und Zeilen als Einzelstellenkommentare. Ein Verzeichnis erschlossener Dokumente, Personen-, Straftaten-, Orts- und Sachregister vervollständi­gen den editorischen Apparat. Insgesamt fußt die Präsentation der Forschungsergebnisse auf moder­nen Techniken und Erkenntnissen der Editionswissenschaft, zu deren Wei­terentwicklung Friederike Wein mit ihrer Promotionsschrift einen beacht­lichen Beitrag geleistet hat. Inwieweit sich die Verfahren in der Praxis bewähren, können am Ende nur die Nutzerinnen und Nutzer entscheiden. Dabei wäre zu erwägen, ob nicht eine Veröffentlichung der Akten als Scans im Internet sinnvoll wäre. Der dritte,»Monographie« genannte T eil ist in acht größere Kapitel un­tergliedert. Die Autorin betont einführend, dass man bis ins 19. Jahrhun­dert keinen Zweifel an der Schuld Margarete Mindens am Stadtbrand von 1617 hegte. Predigten an den Jahrestagen des Brandes hielten die Erinne­rung an die so negativ dargestellte junge Frau wach. Zum»Genre« Gerichtsakten wird als Besonderheit hervorgehoben, dass stets mehrere Personen an deren Entstehen beteiligt waren. So durch­lief etwa eine Zeugenaussage bis zur Reinschrift des Protokolls verschiede­ne, den Text verändernde Bearbeitungsschritte. Folglich enthält jedes Ge­richtsdokument mehr oder weniger fiktionale Elemente(vgl. S. 554). Die Ausführungen zur Geschichte der Familie Minde stützen sich vor­nehmlich auf alte Chroniken, da die Gerichtsakten wenige Informationen enthalten und das Stadtarchiv bei dem Brand von 1617 vernichtet wurde. Hans von Minde(n) das»von« war kein Adelsprädikat, sondern bezog sich