Heft 
(1991) 52
Seite
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Welche Forschungsbeiträge Dir in reicher Zahl zu danken sind, hat noch Joachim Schobeß zu Deinem 70. Geburtstag im Heft 41 (1986/1) aufgelistet. Die kurze Vita, die sich dort findet (S. 336), wäre durch eine Menge zeitgeschichtlicher Zusammenhänge anzureichern. Wie schnell und grundlegend hat sich die Welt verändert. Als wir 1988 zusammen über den Friedhof in Weißensee gingen (die sogenannte Kristallnacht jährte sich zum 50. Male), traten neue Züge im Verhältnis zu der von Dir erlebten und erlittenen Geschichte hervor.

Im Jahre 1937 gabst Du Deine Fontane-Bibliographie »unter besonderer Be­rücksichtigung von Privatdrucken' schon in Amerika heraus - aber ein Berliner scheinst Du mir in vielem geblieben zu sein. Unvergessen ist die sprühende Aktivität, mit der Du unsere Tagung des Jahres 1986 bereichert hast. Trotz widriger Umstände hast Du uns ermuntert, den Druck der »Beiträge aus der Deutschen Staatsbibliothek Nr. 6: Theodor Fontane im literarischen Leben seiner Zeit, Berlin 1987' geduldig voranzutreiben, hast Du Wege ebnen helfen und mit humorvoller Souveränität die Debatte im heißen Juni des Jahres 1986 ge­leitet. Ohne dies hier im einzelnen ausbreiten zu können, scheint mir, daß die Anregungen der großen Bret-Harte-Studie (als Sonderheft 6 der Fontane-Blätter 1980 gedruckt) bis heute nicht recht aufgearbeitet sind. Hier fehlt mehr und engere interdisziplinäre Zusammenarbeit, für die die Tore jetzt weit aufgestoßen sind.

Du bist nun 75 Jahre, und Du leitest das Institute for Advanced Studies der Indiana University in Bloomington. Auch darein setzen wir neue Hoffnungen. Kaum zu glauben, wo Du allein in diesem Jahr referierst, den Austausch an­kurbelst, Menschen zusammenführst: in Australien und Japan, in Bangkok, in Marbach, in Bonn und Berlin und natürlich in Potsdam, das nun im größeren vereinigten Deutschland liegt. Universitätsstädte in Italien und Ungarn, England und Indien zählen Dich zu Ihren Gästen, und Du willst bitte verzeihen, wenn in dieser Darstellung die Gesellschaften fehlen, deren korrespondierendes Mit­glied Du bist. Kaum ein Weltkongreß der vergleichenden Literaturwissenschaft (wie auch der des Jahres 1991 in Tokyo) findet ohne Dich statt - und ich darf hervorheben, daß Du ein Botschafter der Zusammenarbeit in Zeiten warst, als andere Kollegen zwischen Ost und West eine Trennungslinie zogen.

Es ist auch Dein Verdienst, wenn uns die Veränderungen des Jahres 1989, die mit »Wende' nur unvollständig umschrieben werden, nicht unvorbereitet an­getroffen haben. Mit anderen Kollegen in England und Westdeutschland, in

Frankreich, Australien und Amerika hast Du für Austausch und grenzüberschrei-

tende Forschung gestritten. Heute bauen wir dort weiter, und ich wünschte kaum etwas sehnlicher, als daß Du selbst noch teilnehmen kannst, wenn ein betont komparatistischer Fontane-Kongreß nach Potsdam oder Berlin einberufen wird. Schon jetzt sind wir neugierig, wie sich der angekündigte Essay »Thomas Mann und Theodor Fontane" liest, der fertiggestellt ist. Du hast noch mit Thomas Mann korrespondiert, der 1955 starb. In einem Vortrag, gehalten an der Uni- versität in Chicago, äußerte dieser einen Gedanken, der damals Aufsehen er­regte, weil er die Kontinuität über alles stellte: »Meine Zeit - sie war wechsel­voll, aber mein Leben in ihr ist eine Einheit.' Das zielte auf den .Zauberberg',

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