Bismarck-Lied
zum siebzigsten Geburtstags des Reichskanzlers.
Wer hat das Reich uns aufgebaut;
Daß hoch die Zinnen ragen?
Germania, du Kaiserbraut,
Wer ließ dich Korne tragen?
Durch's deutsche Land frohlockend schallt's,
Es lauscht die Welt und wiederhallt's:
Das hat mit Macht
Der Eine vollbracht, Von dem wir singen und sagen.
Wir haben manch Jahrhundert lang
Der Fremden Hohn erlitten, Das Bruderband im freveln Drang
Der Eigensucht zerschnitten. Da ward der kühne Held gesandt,
Von Scham und Gram und Zorn entbrannt,
Der wußte gut Mit Eisen und Blut
Den Lockern Bund zu kitten.
Er führt' aus Traum und Dämmerung
Uns an den Tag der Thaten.
Die greisen Häupter wurden jung Und reif die grünen Saaten.
Die Letzten einst im Weltverein - Nun sollen wir die Ersten sein.
Mit eins wie stumm Die Feindes ringsum!
Die Weltr wie wohlberathen! Doch als vollbracht dein stolzes Thun,
Du Schiedsherr der Nationen,
Du wolltest nicht auf Lorbeern ruhn,
Mit besserm Lohn dir lohnen.
Die Noth des Volks, du Mann von Erz,
Tief schnitt sie dir in's weiche Herz:
Froh soll fortan
Der niedere Mann
Am warmen Herde wohnen.
So dauere glorreich fort und fort
Der Bau, den Er gegründet,
Des Rechtes Schrim, des Friedens Hort, Dem freien Geist verbündet.
Ihr Brüder, schwört's mit Mund und hand,
Wie er zu stehn zum Vaterland!
Er leucht' uns vor
Zum Gipfel empor,
Ein Stern, der nir entschwindet! München. Paul Heyse
156