Heft 
(1993) 56
Seite
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In memoriam Anita Golz

Die Weimarer Gutenbergstraße war für alle eine vorzügliche Adresse, die etwas Spezielles über Fontane wissen wollten. Prompt und kompetent erhielt man Auskunft: in sympathisch klarer Handschrift, sachlich und freundlich. Diese Briefe werden nun ausbleiben, denn Anita Golz ist Mitte November 1993 einer tückischen Krankheit erlegen, mit der sie seit langem tapfer gelebt hat.

Ich habe Anita Golz in einem Vierteljahrhundert gemeinsamer Arbeit schätzengelernt: als umsichtige Lektorin mit profunden Kenntnissen in der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts, als versiert-behutsame Fachfrau in allen editorischen Fragen, als detailbesessene Kennerin biographischer und philologischer Zusammenhänge bei Schiller und Kleist, bei Goethe und Storm und - vor allem - bei Fontane.

Sie betreute nahezu alles, was im Aufbau-Verlag vomEffi- Briest"-Autor erschien, und manches seiner Werke hat sie selbst herausgegeben. Lektorieren hieß für sie, jenePenibilität in Drucksachen" ganz wörtlich zu nehmen, auf die Fontane so großen Wert legte. Mit unendlicher Geduld achtete sie auf Zuverlässigkeit der Texte, auf Stichhaltigkeit der Kommentare; aber jedesmal wehrte sie energisch ab, wenn ein Herausgeber ihre Verdienste zu würdigen versuchte. Sie stellte ihre Akribie in aller Bescheidenheit zur Verfügung; jegliche Publizität war ihr peinlich.

In einem Falle allerdings - und mit sehr gutem Grund - habe ich sie auch stolz erlebt: beim Erscheinen der dreibändigen Ausgabe von Fontanes Gedichten (Aufbau 1989), die sie nach den Vorar­beiten von Joachim Krueger auf das vorliegende meisterhafte Niveau gebracht hat. Ihr ist zu danken, daß dies die einzig ver­bindliche Edition Fontanescher Lyrik geworden ist und daß weit über 100 Gedichte erstmals publiziert werden konnten.

Anita Golz war eine der kreativen Stillen im Lande der Fontane- Forschung. Wer sie kannte, wird ihre Liebenswürdigkeit, ihre mütterliche Freundlichkeit und ihre Hilfsbereitschaft stets in Erinnerung behalten. Mit ihrem Tod ist es ein wenig kälter geworden in der Gemeinschaft der Fontane-Freunde.

Gotthard Erler/Redaktion

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