REZENSIONEN
Theodor Fontane: L'Adultera. Ins Englische übersetzt von Lynn R. Elia- son. - New York: Peter Lang 1990. (American University Studies)
(Rez.: Michael Fleming, Aalen)
Als Theodor Fontane, im bereits fortgeschrittenen Alter von 59 Jahren, seinen ersten Roman verfaßte, wählte er einen historischen Hintergrund - Vor dem Sturm (1878) handelt von Preußen zur Zeit der napoleonischen Kriege. Die zwei späteren Novellen, Grete Minde (1880) und E llernklipp (1881) spielen ebenfalls in einer vergangenen Zeit. Erst in seinem dritten Erzählwerk, L'Adultera, widmete sich der Autor einem aktuellen, sozialkritischen Thema. Anlaß dazu war ein einige Jahre vorher ereigneter Fall aus der Berliner "höheren Gesellschaft" - 1874 war Thérèse Ravené, die Ehefrau des angesehenen Großindustriellen Louis Ravené, mit dem Bankier Gustav Simon nach Königsberg durchgebrannt.
L'Adultera gilt als erster von Theodor Fontanes berühmten Gesellschaftsromanen, in dem die Geschlechterbeziehung, eine Frage, die ja Zeit seines Lebens Fontane beschäftigte, ausführlich behandelt wird. Auch wenn der Ehebruch das Thema mehrerer seiner Romane darstellt, ist L'Adultera einmalig, insofern es für Melanie, die Heldin/Ehebrecherin, (relativ gesehen) ein Happy-End gibt: Melanie und Rubehn, jetzt verheiratet, werden nach einem Jahr von der Gesellschaft wieder akzeptiert, die sie zunächst verachtet hatte; sogar der verlassene Ehemann van der Straaten schickt einen Weihnachtskorb als Beweis seiner bedingungslosen Vergebung. (Lediglich Melanies ältere Tochter, haßerfüllt, lehnt ihre Mutter vollkommen ab.) Auch wenn Melanie gewissermaßen ihre Tat sühnen muß - die lange Krankheit, die Ablehnung durch die Berliner Gesellschaft, der Verlust des hohen Lebensstandards und finanziellen Erfolgs (was eigentlich eine stärkende, läuternde Wirkung auf Melanie zur Folge hat) - ist es verständlich, daß sie, verglichen mit der armen Effi Briest, "von Glück reden kann."
Es mag überraschen, daß L'Adultera in der englischsprachigen Welt nicht die Popularität gefunden hat, die es durchaus verdient hätte. Eine englische Übersetzung (zusammen mit Poggenpuhls) erschien 1979 bei der Chi- ca go University Press; die neueste Übersetzung von Lynn R. Eliason wurde 1990 bei Peter Lang - American University Studies - verlegt. (Dr. Eliason ist Assistant Professor of Languages an der University of Utah, wo er Deutsch und Russisch unterrichtet.)
Erste Eindrücke sind oft am nachhaltigsten; so gesehen ist es bedauer- lich, daß der Übersetzer bei der Wahl seines Verlegers keine allzu glückli- c he H and hatte. Der Band, mit einem grellen, giftgrünen Deckel, ist klein- g e druckt - mit großem Zeilenabstand - und sieht eher wie ein Schultextbuch aus als eine literarische Übersetzung. Ärgerliche Druckfehler sind
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