Heft 
(2023) 115
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10 Fontane Blätter 115 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes Lehrzeit schrieb Wolff emsig Beiträge für das Feuilleton des Berliner Tage­blatts. Mosse erkannte schnell seine journalistische Begabung und förderte ihn nach Kräften. Wolff wurde Berichterstatter für besondere Ereignisse in Berlin und Reisekorrespondent der Zeitung. Im Auftrag des Blattes befuhr er seit 1888 nahezu ganz Europa , mehrfach Skandinavien , Frankreich , Ita­ lien . Zu Hause in Berlin besuchte er nebenher als Autodidakt Vorlesungen an der Berliner Universität, wo er in dem Dichter, Philosophen und Profes­sor Karl Werder (1806–1893) einen anregenden und zuvorkommenden älte­ren Mentor fand. Auch in Künstler- und Schriftstellerkreisen verkehrte Wolff bald, war mit Walter Leistikow und Edvard Munch befreundet, pfleg­te in Berlin Beziehungen zu so unterschiedlichen Autoren wie Paul Lindau und August Strindberg und gehörte als jüngster Teilnehmer im März 1889 neben den Brüdern Hart, Otto Brahm , Paul Schlenther , Maximilian Harden zu den Mitbegründern der Freien Bühne. 12 Einen beachtlichen Er­folg als literarischer Popularisator und Vermittler konnte schon der Ein­undzwanzigjährige verbuchen: 1889 erschien in Reclams Universal-Biblio­ thek die Übersetzung des Romans Niels Lyhne von Jens Peter Jacobsen (1847–1885). Wolff war während einer Dänemark -Reise in Kopenhagen von Georg Brandes auf den Autor aufmerksam gemacht worden, hatte sich für den Roman des Dänen begeistert und schrieb(mit Unterstützung von Bran­des) für die deutsche Ausgabe einen Einführungsessay über den Dichter und sein Werk. Mit dieser Arbeit machte er sich als Literaturkenner und -kritiker in größeren Leserkreisen einen Namen und trug entscheidend zur Popularität von Niels Lyhne in Deutschland bei. Der Roman gehörte um die Jahrhundertwende und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu den Lieblingsbüchern des deutschen Lesepublikums. Auch Fontane hatte den Reclam -Band bekommen, wie aus seinem ersten Schreiben an Wolff hervorgeht. Als freier Mitarbeiter der Zeitung und von Haus aus ökonomisch gut abgesichert, träumte der junge Wolff weiterhin davon, ein namhafter Schriftsteller zu werden. 1891 veröffentlichte er einen ersten Roman Der Heide, 1892 einen zweiten Der Untergang, Erzählwerke von jeweils nur 160 Seiten, in denen Probleme aus dem modernen Gesellschaftsleben auf­gegriffen werden. Am Publikum und an der Literaturkritik gingen diese jugendlichen Erzählwerke spurlos vorüber. Nicht viel besser erging es dem Bühnendichter Theodor Wolff . Obwohl eines seiner Stücke die begeisterte Zustimmung Gerhart Hauptmanns hervorrief, 13 prominente Schauspieler wie Josef Kainz und Agnes Sorma lobende Worte fanden und einige seiner Stücke sogar aufgeführt wurden, kam er über Achtungserfolge nicht hin­aus. Die Weichen seiner künftigen beruflichen Laufbahn stellte im Herbst 1894 erneut sein Vetter Rudolf Mosse: Wolff wurde als fest angestellter ­Paris -Korrespondent des Berliner Tageblatts in die französische Hauptstadt geschickt, nachdem sein Vorgänger aus Frankreich ausgewiesen worden