Heft 
(2023) 115
Seite
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Theodor Wolff über Theodor Fontane  Rasch 11 war. Schon in den ersten Monaten seines Aufenthalts konnte er sich durch Berichte über die damals aktuelle Dreyfuss-Affäre als gut informierter, si­cher urteilender und vorzüglich schreibender Journalist profilieren. In der Hauptstadt der französischen Republik blieb er zwölf Jahre eine Zeit, die ihn maßgeblich geprägt hat. Vor allem die Beziehung zu Émile Zola , Anatole France und George Clémenceau hat Wolffs Weltbild und jour­nalistisches Profil stark beeinflusst. 1902 heiratete er in Paris die Schau­spielerin Marie Louisa Anna Hickethier(1872–1956). 1906 wurde Wolff von seinem Vetter Rudolf Mosse nach Berlin zurück­berufen. Mosse machte ihn zum Nachfolger des langjährigen, inzwischen erkrankten Chefredakteurs Arthur Levysohn (1841–1908). Wolffs große Zeit als Journalist begann, die zugleich die große Zeit des Berliner Tage­blatts werden sollte.»Theodor Wolff «, so Peter de Mendelssohn , war siebenundzwanzig Jahre lang Chefredakteur des»Berliner Tage­blatts«. Seine Leitartikel, die stets nur mit den Initialen»T.W.« gezeich­net erschienen, wurden in dieser Zeit zu einer nationalen Einrichtung. Unter seiner Leitung erlangte das»Berliner Tageblatt« eine Weltgeltung, die es vorher nicht genossen hatte. Theodor Wolff war unzweifelhaft die bedeutendste journalistische Persönlichkeit Berlins und Deutschlands seit der Jahrhundertwende, und er ist es bis heute geblieben. 14 Nach der Novemberrevolution 1918 engagierte sich Wolff auch unmittelbar parteipolitisch: Er war Mitbegründer der liberalen Deutschen Demokrati­schen Partei, mit der er einen demokratischen Neuanfang in Deutschland unterstützen wollte. Aus der aktiven Parteipolitik zog er sich jedoch bald zurück und trat 1926 nach mannigfachen Enttäuschungen über ihren Kurs aus der Partei aus. 1933 gehörten seine Bücher zu jenen Werken, die auf dem Opernplatz von Studenten verbrannt wurden. 15 Wolff musste aus Berlin fliehen, gelang­te über Österreich in die Schweiz und von dort schließlich nach Südfrank­ reich , wo er in Nizza ein neues Domizil fand. Am Widerstand anderer Exi­lierter gegen Nazi-Deutschland beteiligte er sich nicht. 1937 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Nach der Niederlage Frankreichs im Zweiten Weltkrieg 1940 betrieb er erfolglos seine Auswanderung in die USA , blieb aber noch unbehelligt im unbesetzten Teil Frankreichs . Im Mai 1943 wurde er schließlich von italienischen Besatzungssoldaten festgenom­men, der Gestapo übergeben und anschließend durch mehrere Konzentra­tionslager getrieben. Wolff war zuletzt im KZ Oranienburg interniert und schwer erkrankt. Freunde erreichten, dass er für eine Operation ins Jüdi­sche Krankenhaus Berlin verlegt wurde. Der Eingriff erfolgte jedoch zu spät, Wolff erlag seinem Martyrium am 23. September 1943. Theodor Wolff ist bis heute im Bewusstsein einer breiteren Öffentlich­keit präsent. Seit 1962 wird vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverle­ ger jährlich der Theodor-Wolff-Preis verliehen. Über Theodor Wolff sind