Heft 
(2023) 115
Seite
39
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Fontanes Briefe an Theodor Wolff  Möller 39 unbekannt, bis auf das Schreiben vom 24. Mai 1890, das im TFA als Ab­schrift vorliegt. Sie werden hier erstmals veröffentlicht. Auch die beiden be­reits bekannten Briefe wurden der Vollständigkeit halber nochmals abge­druckt. Der Abdruck erfolgt nach den Originalen, wo das Original fehlt, nach der Abschrift. Abgedruckt wird eine diplomatische Transkription mit dem üblichen Apparat. deutsche Schrift lateinische Schrift durchgestrichen unterstrichen eingefügt ­Sofortkorrekturen sind nicht dargestellt, Geminationsstriche aufgelöst. Da in diesem Heft der Fontane-Blätter ein weiterer Aufsatz zum Verhältnis von Theodor Fontane und Theodor Wolff erscheint, soll hier nur kurz mit­geteilt werden, was zum Verständnis der Briefe notwendig ist. [1.] Die Korrespondenz zwischen Wolff und Fontane setzte damit ein, dass Wolff Fontane einen Roman von J. P. Jacobsen schickte. Seine Begleitzeilen sind nicht überliefert, aber man kann davon ausgehen, dass es sich dabei um die Ausgabe von Niels Lyhne handelte, die wenige Monate zuvor mit einem Vorwort von Wolff im Reclam-Verlag erschienen war. Das Vorwort datiert vom Februar 1889, im Börsenblatt wurde das Erscheinen am 1. Juni 1889 angezeigt. 18 Fontane dankte am 4. Oktober 1889 für die Zusendung, die ihn zu erneuten Überlegungen zum Verhältnis von Realismus und Ro­mantik anregte, wie sie auch in dem fragmentarischen Entwurf Realismus und Romantizismus ihren Niederschlag fanden, der in dieser Zeit entstan­den sein dürfte, 19 vielleicht ist das sogar der in Aussicht gestellte kleine Es­say. Wolffs Vergleich von Jacobsens Roman mit der Romantik wird im Briefwechsel durch das Schlagwort ›realistische Romantik‹ aufgenommen. Auf die direkte Erwähnung seiner Person in Wolffs Vorwort ging Fontane in seinem Brief nicht ein. Wolff hatte geschrieben:»Theodor Fontane ist vielleicht der einzige Deutsche, in dem der Realismus nicht die Poesie ver­nichtet hat.« 20 Da Fontane empfangene Sendungen prompt beantwortete, lässt sich schließen, dass er Wolffs»freundliche Zeilen« und das Buch An­fang Oktober 1889 empfangen hat. 21 [2.] Wolff war zu dem Zeitpunkt 21 Jahre alt, Presse-Youngster und Mitbe­gründer des Vereins Freie Bühne. Womöglich stand seine Kontaktaufnah­me zu dem fast 50 Jahre älteren Schriftsteller im Zusammenhang mit der langfristigen Vorbereitung seines Artikels zu dessen 70. Geburtstag, der am 28. Dezember 1889 in der Abend-Ausgabe des Berliner Tageblatts