Heft 
(2023) 115
Seite
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Bertha Eleanor Trebein(1874–1963) Muhs 51 Fortgeschrittenen Studentinnen vorbehalten war das Seminar»Critical Study of the Masterpieces«, womit vor allem Werke von Schiller gemeint waren, daneben auch Goethes Faust und einiges von Lessing. Der Schwer­punkt des Studiums lag ohnehin auf dem Spracherwerb, wie es im Studien­führer für 1893 hieß:»From the beginning the acquisition of the living lan­guage is insisted upon and furthered through continual practice in speaking and a thorough drill in grammar, reading and translation.« 9 Was das Wellesley College der Frühzeit besonders auszeichnete, war aber nicht allein das Angebot von Hochschulbildung für Frauen, sondern vor allem, dass nach dem Willen der Stifter auch nur Frauen in der Lehre tätig sein sollten. Dies bedeutete zugleich, dass die erste Generation der Dozentinnen selber keine Universitätsabschlüsse besaß. Als(selbst-)be­wusste Vorkämpferinnen für eine Öffnung des Wissenschaftsbetriebs, die von ihren männlichen Kollegen in benachbarten Hochschulen ignoriert oder belächelt wurden, entwickelten sie, über Fächergrenzen hinweg, ein Gefühl enger Zusammengehörigkeit in der Identifikation mit ihrem»Adam­less Eden«, dessen quasi-paradiesische Ausstattung eine gewisse Entschä­digung für seine akademische Isolierung darstellte. 10 Das Department of German bestand, als Bertha Trebein 1893 ihr Studi­um aufnahm, neben einer Professorin für Gotisch, Alt- und Mittelhoch­deutsch aus der Professorin Carla Wenckebach(1853–1902) sowie drei Sprachlehrerinnen: den Schwestern Margarethe und Elisabeth Müller so­wie Louise Habermeyer.»Carla Wenckebach Pioneer«, wie der Titel einer fast 300-seitigen Biographie aus der Feder ihrer Kollegin, Lebensgefährtin und Nachfolgerin Margarethe Müller lautete, muss in der Tat eine ein­drucksvolle Persönlichkeit gewesen sein. 11 Aus Ostfriesland gebürtig und von klein auf äußerst lebhaft, eigenwillig und unkonventionell(»a thorough­going tomboy«), habe sie sich im Widerspruch zum deutschen Mädchenide­al nicht nur geweigert, weibliche Handarbeiten zu lernen, sondern schon in der Jugend auch Pfeife geraucht. Zum Schulbesuch nach Hildesheim in die Obhut von Verwandten gegeben, war ihr, dank anschließender Absolvie­rung des Lehrerinnenseminars in Hannover, der Absprung aus dem länd­lich-traditionellen Milieu gelungen. An höheren Schulen durften Frauen in Deutschland aber noch nicht unterrichten, und mit kleinen Kindern wollte sich Carla Wenckebach nicht abgeben. So ging sie als Gouvernante nach Schottland und England, St. Petersburg, Tiflis und schließlich nach New York, bevor ihr 1883, im Alter von 30 Jahren und ohne formale akademische Qualifikation, eine Anstellung in Wellesley angetragen wurde:»Hurrah! I have made a superb catch, not a widower nor a bachelor, but something infinitely superior«, schrieb sie ihren Angehörigen in Deutschland. 12 Als eine Frau»in whose mental make-up sex does not appear to be of prime and decisive importance«, und deren»instincts and interests are intellectual rather than domestic« so Margarethe Müller, die damit wohl auch von sich