76 Fontane Blätter 115 Dossier: Fontanes Fragmente. Fortsetzung b) dispositio – Gliedern, Anordnen. Diese Funktion repräsentiert z. B. eine Storyline in Form einer nummerierten Liste in Wiedergefunden(Konzeption 2): 1. Die große Einleitungsscene./ Burgstraße am Fenster.[…] 2. Der Besuch des Prinzen von der Kriegsschule. Gespräch mit ihm. Sie wird ihm vorgestellt. 3. Die Befreundungen. Man sieht sich öfter. Sie haben ein erstes AlleinGespräch(weil er, der Mann, noch nicht da ist.) Man kommt überein, sich öfter zu sehn. Geschieht. 4. Die Erkältung zwischen den Eheleuten. Ihre Versuche eine Glückskomödie noch zu heucheln. Es scheitert. Sie kann es nicht mehr ertragen. Flucht. Zweite Hälfte. 5. Ihr Wiedersehn. Ihre Demüthigung. Ausgleich. Glück(Z. 223–239; vgl. Abb. 4 Mitte) c) elocutio – Formulieren. Hierfür kann beispielhaft ein Erzählanfang(Konzeption 1) aus Wiedergefunden stehen: Vor drei Jahren, kurze Zeit nach ihrer Verheirathung, waren sie aus einer kleinen Stadt an der Warthe, da, wo Westpreußen, Posen und Brandenburg in einem stumpfen Winkel zusammenstoßen, nach der Hauptstadt gekommen und hatten in der Burgstraße, in dem einzigen schmalen Hause das diese Straße hat, drei Treppen hoch eine Poeten-Wohnung genommen. Die Zimmer waren niedrig, aber die Luft war frisch und der Blick auf den alten Schloßflügel gegenüber entzückend.[…](Z. 122–127; vgl. Abb. 3) Das von Wolf Schmid vorgeschlagene Modell der narrativen Transformationen gliedert die Konstruktion der erzählten Welt und damit den textgenetischen Prozess in Stufen, die mittels der Transformationsprinzipien Selektion, Komposition(Anordnung/Sequenzialisierung) sowie Verbalisierung vom ›Geschehen‹ über die ›Geschichte‹(im ordo naturalis) und die ›Erzählung‹(im ordo artificialis) zur ›Präsentation der Erzählung‹ führen. 10 Die beiden Konzepte lassen sich miteinander in Beziehung setzen(vgl. Abb. 6): Die Gesamtheit des ›Geschehens‹, die den Ausgangspunkt bildet, ist Resultat der inventio. Die Funktion der dispositio deckt zwei Transformationsschritte nach Schmid ab: die Auswahl der Geschehensmomente, die für die ›Geschichte‹(im ordo naturalis) konstitutiv sind, und deren Anordnung im ordo artificialis der ›Erzählung‹. Dem Schritt der Verbalisierung, in dem nach Schmid aus der ›Erzählung‹ deren ›Präsentation‹ wird, entspricht die elocutio. Beide Konzepte, die officia oratoris und das Modell der narrativen Transformationen, beschreiben die Textgenese als linearen und unumkehrbaren Prozess. Demgegenüber ist der textgenetische Prozess, den die Manuskripte des Fragments Wiedergefunden als Prozessdokumente 11 abbilden, durch
Heft  
(2023) 115
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76
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