Effi Briest-Handbuch Hehle 159 Nation in Anspruch genommen(S. 32), was angesichts der historischen Rolle Georg Wilhelms als Kurfürst von Brandenburg inmitten des die deutschen Territorien entzweienden Dreißigjährigen Krieges einer näheren Erläuterung bedürfte. Auch dass das vorherzusehende Aussterben der (fiktionalen) Familien Briest und Innstetten das Ende des deutschen Kaiserreiches vorwegnehme(S. 33), könnte genauer begründet werden. Im II. Teil, Autor und Werk, herrscht eine gewisse Unausgewogenheit zwischen Erörterungen, die sich speziell auf Effi Briest beziehen(8.»Selbstzeugnisse«[des Autors zum Roman], 9.»Die Ardenne-Affäre«, 10.»Anmerkungen zur ›Judenfrage‹«, 11.»Effi und Cécile«, 12.»Bezüge zu Irrungen, Wirrungen«, 13.»Handlung«, 14.»Figuren«), und anderen Kapiteln, die wesentlich breiter angelegt sind und Fontanes gesamtes Werk in den Blick nehmen(6.»Theodor Fontane: Leben und Werk« sowie 7.»Bekanntschaft mit anderen Autoren«, beide von Cord Beintmann). Von den in Kap. 7 genannten Autoren weisen nur Friedrich Spielhagen als Autor des Parallelromans Zum Zeitvertreib und der komparatistischen Studie über Effi Briest und die Wahlverwandtschaften und Julius Rodenberg als Herausgeber der Deutschen Rundschau einen speziellen Bezug zu Effi Briest auf; die Ausführungen zum Tunnel, zu Heyse, Storm und Hauptmann dagegen sind im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägig. In Kap. 13,»Handlung«, bietet Johann Holzner einen hilfreichen»Effi-Briest-Kalender«, der die Zeitstruktur des Romans transparent macht(S. 84), und ein flott geschriebenes Handlungsrésumé, das allerdings nicht frei von Ungenauigkeiten ist(z. B. werden Effis erste Nacht in Kessin, in der sie Tanzgeräusche im oberen Stockwerk hört, und die ohne Innstetten verbrachte Nacht, in der sie den Chinesen zu sehen glaubt, miteinander verschmolzen) und überdies auch die Forschungsdiskussion über den Roman bereits in Ansätzen miteinbezieht. Als typische Leserin eines Handbuchs, die den Roman nicht kennt und sich zunächst nur einen ersten Überblick über den Inhalt verschaffen möchte, wäre ich mit diesem Kapitel also nur unvollkommen bedient. Ungenauigkeiten enthält auch das Kapitel zu Effi Briest und Cécile(Stefan Neuhaus); zum Beispiel ist die Rede davon, dass Gordon Cécile und Hedemeyer in einer Aufführung von»Don Juan«(Don Giovanni?) in der gegenüberliegenden Loge sehe (S. 71), während es sich im Roman tatsächlich um Tannhäuser handelt. Gordon schlägt auch nicht vor dem Duell ein Versöhnungsangebot St. Arnauds aus, sondern verweigert einen Handschlag mit seinem Gegner, als er bereits tödlich getroffen am Boden liegt. Abgesehen von solchen Details wird an Teil II jedoch ein Problem sichtbar, das das Handbuch im Ganzen kennzeichnet: Zwischen den Kapiteln gibt es viele Überschneidungen und Doppelungen und nicht immer findet man eine gesuchte Information unter der Überschrift, unter der man sie erwarten würde. So wird der Poetische Realismus in Kap. 6,»Theodor Fontane: Leben und Werk«, ausführlich erläutert(S. 45–49), wurde es aber bereits in
Heft
(2023) 115
Seite
159
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