20 Fontane Blätter 116 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes nen. Denn öfters sind die Briefe Fortsetzungen von Unterhaltungen gewesen, öfters nennt Fontane Persönlichkeiten, von denen der Brief des Adressaten sprach, nur mit dem Anfangsbuchstaben. Auf die wunderbaren Fontane-Briefe hat die Gemeinde seiner Verehrer ein Recht, wie auf nachgelassene Werke eines Dichters. Die Fontaneschen Briefe sind wahrhaftige documents humains . Sie gehören nicht mehr allein den derzeitigen Besitzern: ihr Inhalt gehört uns allen. Der wäre engherzig, der nicht zu einem solchen Werke die sorgsam behüteten theueren Andenken für kurze Frist herliehe. Wir würden eine Briefsammlung bekommen, die sich ohne Gene 2 auf das Bücherregal neben die berühmtesten, neben die klassischen Briefe stellen darf. In bester Hochachtung P a u l L i n s e m a n n. 3 Am folgenden Tag erschien an derselben Stelle die Notiz, dass der Direktor des Wiener Burgtheaters Paul Schlenther , Fontanes»Testamentsvollstrecker«, eine Gesamtausgabe der Werke des verstorbenen Schriftstellers plane, die auch dessen Briefe enthalten werde. 4 Tatsächlich hat Schlenther 1905 Fontanes Theaterkritiken 5 und 1910 gemeinsam mit Otto Pniower die Zweite Sammlung der Briefe 6 Fontanes an seine Freunde herausgegeben, nachdem 1905 eine erste Auswahl von Familienbriefen 7 erschienen war, die Karl Emil Otto Fritsch gemeinsam mit Fontanes Tochter Martha bearbeitet hatte. Diese Nachlass-Editionen waren nicht nur als Einzelbände zu beziehen, sondern zugleich Teile der zweiten Serie der Ausgabe Gesammelte Werke des Verlages F. Fontane& Co. Im Juli 1907 lancierte Friedrich Fontane einen von Schlenther und Pniower unterzeichneten öffentlichen Aufruf, die entstehende Ausgabe durch die Einsendung von Briefen zu unterstützen, die nach der Abschriftnahme zurückgegeben werden sollten. 8 Zu dem Zeitpunkt existierten im Fontane-Archiv bereits umfangreiche Abschriftenkonvolute, die durch gezielte Anfragen an Korrespondenzpartner Fontanes aufgebaut worden waren, darunter auch Fontanes Briefe an Linsemann. Im Oktober 1898, unmittelbar nach Fontanes Tod, ging es den Erben darum, nicht autorisierten Publikationen von Briefen entgegenzutreten. Deshalb erhob Friedrich Fontane im Namen der Erben Einspruch gegen den wohlgemeinten Vorschlag Linsemanns. Seine Erklärung wurde am 8. Oktober 1898 an derselben Stelle abgedruckt.
Heft  
(2023) 116
Seite
20
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten
