Fontanes Briefe an Paul Linsemann Möller 31 in anspruchlosester Subjektivität, zu sagen, was mir richtig scheint. Solche Erwägungen waren Ihnen damals ganz fremd; ich war Ihnen der Abtrünnige, der dem Theater nicht mehr gab, was dem Theater gebührt, und vor schnöden Götzenbildern schmähliche Opfer brachte. Diese Epoche liegt hinter Ihnen. Sie haben den Gegenstand Ihrer Leidenschaft näher und schärfer gesehen und die Erkenntniß ist Ihnen gedämmert, daß man auch die Schaubühne nicht isoliren, nicht aus der Summe der Erscheinungen lösen kann, die das Leben einer Volkheit bestimmen, daß auch sie auf dem wirthschaftlichen Unterbau ruht, den wir seit den Tagen Karls Marx besser als einst würdigen gelernt haben. 61 Linsemanns Herz schlug für das Theater, er war, wie er selbst erklärte, ein »ausgepichter Theaterenthusiast«. 62 Auch für Linsemanns Briefwechsel mit Fontane bildete die»Coulissenleidenschaft« 63 den ersten Anknüpfungspunkt. Auf Austausch, vielleicht auf Förderung hoffend, schickte Linsemann dem berühmten Schriftsteller seine Publikationen: Bühnenstücke, die Theater-Streitschrift, Humoresken, die dieser amüsiert las. Nichts davon ist in Fontanes Handbibliothek erhalten. Wenn Linsemann auch für sich selbst schließlich manche»Nicht-Eroberungen« bilanzieren musste, Harden hat er zu einem großartigen Vorwort inspiriert und Fontane zu einer bemerkenswerten Korrespondenz. Theodor Fontane an Paul Linsemann, Postkarte vom 12. Januar 1898. © Theaterhistorische Sammlungen der Freien Universität Berlin.
Heft
(2023) 116
Seite
31
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