Heft 
(2023) 116
Seite
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148 Fontane Blätter 116 Freie Formen hohe Zeit, dass dieses Bündnis durch den Tod gelöst wurde. Es war ruinös, und wir haben viel zu sanieren.« Selbst Klaus Mann, der an sich große Stü­cke auf Onkel Heinrich hielt, war voller Vorbehalte: Nelly»war ein dummes Ding. Aber damals in Nizza kochte sie wirklich köstliche Abendessen für uns.« All diese Bemerkungen, denen es an Deutlichkeit nicht fehlt, wurden stets briefverborgen gemacht. Dann erschienen aber 1974 Katia Manns Un­geschriebene Memoiren, und da stand es schwarz auf weiß gedruckt:»Die Sache mit Nelly war nicht schön. Als sie noch lebte, wurden wir alle Augen­blicke angerufen, sie sei wieder in der Gosse gefunden worden. Sie fuhr Auto, was sie in Kalifornien gelernt hatte, und war mehrfach betrunken am Steuer. Trunkenheit am Steuer wurde doch schwer bestraft, nicht wahr?« (Dieses schulterklopfende»nicht wahr« habe ich der verehrten Katia immer übelgenommen.) Damit war aus der Perspektive des Thomas-Mann-Clans für die Nachwelt das hässliche Porträt der heruntergekommenen Alkoho­likerin fixiert, das erfreulicherweise die Kölner Publizistin Kirsten Jüng­ling vor einigen Jahren in ihrer Nelly-Biographie nobel korrigiert hat. » Die Zuneigung ist etwas Rätselvolles« Der seinerzeit in der DDR lebende Autor Joachim Seyppel(vielleicht erin­nern Sie sich an sein Buch Ein Yankee in der Mark. Wanderungen nach ­Fontane) hat in seinem Abschied von Europa, 1975 bei Aufbau, auf die At­tacken gegen Nelly nicht gerade glücklich reagiert. Ich habe diese Ge­schichte von Heinrich und Nelly Mann, dargestellt durch Peter Aschenback und Georgiewa Mühlenhaupt damals in der Weltbühne besprochen und was den fiktionalen Teil angeht heftig verrissen, das Plädoyer für Nelly aber sehr begrüßt. Und ich zitierte damals eine Bleistift-Notiz von Heinrich Mann, die ich bei der Herausgabe seiner Autobiographie in den Materialien der Akade­mie auf der Rückseite eines Typoskript-Blattes gefunden hatte und die ich Ihnen als das letzte, mich immer wieder tief berührende Wort Heinrich Manns in Sachen Nelly Kröger vorlese; es ist bisher nur im Heft der Welt­bühne vom 17. Februar 1976 gedruckt: Wenn unser Sinn für die Wahrheit uns unglücklich machen wollte, wie hätten wir jemals das Recht, ganz glücklich zu sein. Eines Tages im Jah­re 33 war ich es. Die Tür meiner Sommerwohnung in Bandol am Meer, nahe Toulon, geht auf, meine Frau tritt ein. Sie war mir in das fremde Exil gefolgt, für sie war es mehr Exil, mehr Fremde als für mich. Sie hatte ihre Sicherheit aufgegeben, zu Hause wäre sie sicher gewesen. Sie hatte, der Gefahr unerachtet, Umwege durch Europa gemacht. Sie hatte zu mir hingefunden, sie stand vor mir. Es ist das höchste Zeichen