Heft 
(2023) 116
Seite
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Fontane und der»Bruderzwist im Hause Mann« Erler 147 Mann-Familie. Nelly Kröger war eine aus Norddeutschland stammende Bardame, die Heinrich Mann in Berlin kennengelernt hatte. Wenn man ­Fotos von ihr betrachtet, erweist sich Brechts Formel und er war ein Ken­ner von der»groben Hübschheit« als durchaus akzeptabel. Heinrich Mann war, als er ihr begegnete, um die sechzig, Nelly zweiunddreißig. Ein Paar also, ungleich im Alter, ungleich nach der sozialen Stellung, ungleich im geistigen Niveau. Tatsache ist indes, dass beide eine heftige, intensive Zuneigung verband, und ich gehe davon aus, dass diese Beziehung sich ganz im Sinne jener Be­schreibung entwickelte, die uns Fontane aus seiner Ehe mit Emilie überlie­fert hat: Zuneigung als eine ganz individuelle Herzensangelegenheit, die »etwas Rätselvolles« ist und»mit der Gutheißung dessen, was der andre tut, in keinem notwendigen Zusammenhange steht«. Nelly hat viele Jahre lang, bis zu ihrem Tod, mit Heinrich Mann gelebt und ihm das Gefühl der Geborgenheit gegeben. Als sie sich nach mehreren Selbstmordversuchen Ende 1944 ums Leben gebracht hatte, brauchte Hein­rich Mann Monate, um die Fassung leidlich wiederzugewinnen. In einem Brief an den Bruder Viktor, zitiert in dessen Buch Wir waren fünf, beschreibt er präzise, dass sie im fremden Amerika auch immer ein Stück Deutschland für ihn war: Wir lebten fünfzehn Jahre zusammen vollkommen glücklich. Sie hatte außer ihrer Schönheit die gemeinsame Heimat für mich: Niendorf, ein Fischerdorf, zu Lübeck gehörig. Sie selbst, eine Fischerstochter, machte mich stolz auf die Verbindung mit dem Volk meines Ursprungs. Manch­mal sprachen wir Platt, auch wenn die Erde bebte. Sie weckte mich auf in Nice,»es ist Erdbeben«. »Denn möt wi upstahn«, sagte ich im halben Schlaf. Meine Frau und ich hatten das Glück, in Fritz Landshoff einen loyalen Zeu­gen auch in Sachen Nelly und überhaupt in Angelegenheiten der Familie Mann zu kennen. Und Landshoff verkehrte vielfach bei Nelly und Heinrich in Nizza, später auch in Kalifornien. Als wir den schon genannten Fernseh­film über Landshoff gedreht haben, hat er wieder und wieder und überzeu­gend bestätigt, wie sehr die beiden einander brauchten und wie sehr Nelly ihrem Heinrich den Alltag bewältigen half wenn auch immer weniger in den letzten Jahren in Amerika. In der Thomas-Mann-Familie hat man die stabile Verbindung des un­gleichen, aber wohl glücklichen Paares stets mit scheelem Auge betrachtet und mit wachsender Empörung kommentiert. Thomas Mann, Januar 1944: Mein Bruder,»dieser große Eigenbrötler, nun schon 72, stößt gern Vergan­genheit ab und hat nicht viel Gedächtnis. Andererseits ist er sogar gemüt­voller als ich. Aber eine Frau hat er leider, die ist eine arge Hur. Da haben Sie meine Gemütlosigkeit.« Und Anfang 1945:»Mein Bruder, der(zum Glück) seine Frau verloren hat, wird jetzt für einige Wochen zu uns ziehen. Es war