Heft 
(2023) 116
Seite
153
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Nur in Freiheit wird man frei  Muhs 153 nach einigen vormärzlichen Versen zum Auftakt(S. 21) den zweiten Ab­schnitt der vorliegenden Textsammlung ausmachen(S. 23–65). Insofern war Fontane in der eingangs zitierten Reihe mit Reflexionen über Revolution zweifellos besser aufgehoben als in dieser Galerie von Revolutionären. Die politische Kontextualisierung seiner Erlebnisse während der Berliner Erhe­bung vom 18. März und in den Tagen danach bleibt nämlich erstaunlich vage, so atmosphärisch dicht und ansprechend sich das Ganze auch liest. Ähnliches gilt von der Schilderung der Urwählerversammlung seines Wohnbezirks am 1. Mai, bei der Fontane zum Wahlmann bestimmt wurde. Entworfen wird ein lebhaftes Genrebild, das zwar den Anschein von Glaub­würdigkeit erweckt, sich aber, was die historischen Zusammenhänge be­trifft, als recht unzuverlässig erweist. Die Begegnung mit einer Reihe pro­minenter Wahlmänner bei den Vorbesprechungen der folgenden Tage hat sich dem Dichter offensichtlich stärker eingeprägt als die eigentliche Abge­ordnetenwahl vom 10. Mai 1848, über die er kein Wort verliert. Abgesehen von diesem seinem»ersten und letzten Auftreten als Politi­ker«, wie Fontane es in seiner Autobiographie formuliert hat, lassen sich an öffentlichen Stellungnahmen zum Revolutionsgeschehen lediglich vier Arti­kel nachweisen, die zwischen Ende August und Anfang November in der demokratischen Berliner Zeitungs-Halle erschienen sind(S. 66–77) und die dritte Abteilung des hier versammelten Quellenkorpus bilden. Es handelt sich um leidenschaftliche Appelle in einer mit literarischen und historischen Anspielungen gespickten Sprache, die so gar nicht dem journalistischen Duktus von 1848 entspricht. Leser, die dergleichen zu würdigen wussten, gab es, aber in den Gang der Bewegung eingreifen konnte Fontane damit nicht. Dies dürfte auch die Platzierung seiner Artikel erklären. Sie standen, als eine Art Leserbrief, ausnahmslos auf den hinteren Seiten der Zeitung, durch einen Strich von dem redaktionell verantworteten Nachrichtenteil ab­gesetzt und, je nachdem, umrahmt von den Börsenkursen, der Cholera-Sta­tistik, Gedichteinsendungen und Anzeigen. Nicht ganz frei vom Prädikantenhabitus dieser Beiträge, aber doch leich­ter zugänglich sind die Texte im vierten Abschnitt(S. 78–148). Es handelt sich, zum Teil irrigerweise auf 1848 datiert(so S. 5, 78, 81, 89, 101 und 107), um ausgewählte Korrespondenzen Fontanes für die Dresdner Zeitung aus der frühen Reaktionszeit von November 1849 bis März 1850. Ohne Namens­nennung unter Chiffre erschienen, verbinden die Artikel Nachrichtenjour­nalismus mit einer Entschiedenheit des Urteils, die keinen Zweifel am politi­schen Standpunkt des Verfassers aufkommen lässt. Sie sind aber, anders als die Aufrufe in der Zeitungs-Halle, schon eindeutig aus der Perspektive der Niederlage geschrieben. Privatbriefe bilden die fünfte und letzte Quellengattung in der vorliegen­den Sammlung(S. 149–183). Dass aus der Korrespondenz mit seinem Freund Bernhard von Lepel nur einige, zum Teil gekürzte Schreiben des Dichters