Heft 
(2023) 116
Seite
154
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154 Fontane Blätter 116 Rezensionen aufgenommen sind, hat zur Folge, dass manches als apodiktische Verlautba­rung erscheint, was eigentlich nur aus der Dialogsituation heraus zu verste­hen ist, in der es geschrieben wurde. Fontanes Empörung über den Gang der Ereignisse im Herbst 1848 ist offensichtlich; unbestreitbar ist aber auch, dass die verbale Verschärfung seiner Position wesentlich durch Lepels stu­res Dagegenhalten provoziert war. Dafür spricht nicht zuletzt die Tatsache, dass Fontanes passionierte Argumentation bisweilen durch eine scherzhaft­freundschaftliche Wortwahl oder Anspielungen auf persönliche Idiosyn­krasien relativiert wird. In ihrer vollständigen Fassung enthalten die Briefe zudem immer wieder längere Passagen zu literarischen Projekten. Ein wirk­licher Entschluss zum politischen Handeln lässt sich aus ihnen jedenfalls nicht herauslesen. Sehr viel grundsätzlicher reflektiert Fontane sein Verhältnis zur Revolu­tion in einem nur im Konzept überlieferten Schreiben von Ende 1849, in dem er für sich persönlich die Nachrangigkeit von Politik gegenüber der Kunst betont(S. 180 f.). Die Angabe, dieses Schreiben sei»vermutlich an Friedrich Hecker« gerichtet gewesen, ist allerdings mit Sicherheit falsch. Der Dichter hatte zu keiner Zeit persönlichen Kontakt zu dem badischen Aufstandsfüh­rer, den er nur aus der Zeitung kannte und der zudem schon seit über einem Jahr in Amerika lebte, als Fontane sich in diesem mit vielen Ausstreichun­gen und Umformulierungen durchsetzten Entwurf um eine Erklärung be­mühte, warum er nicht zusammen mit dem unbekannten Adressaten aus­wandern wolle. 2 Überhaupt weisen die Fußnotenerläuterungen der Herausgeber sowie das Nachwort von Rüdiger Dammann(S. 185–190) manche Ungenauigkeit auf. Das gilt für einzelne Details von Fontanes Biographie, vor allem aber für Ausführungen zu den Zeitumständen(etwa zur Revolution in Öster­reich, S. 29, oder zum Schleswig-Holstein-Konflikt, S. 73). Besonders auffäl­lig ist die mangelnde Präzision bei der Erörterung verfassungspolitischer Aspekte. So wird die preußische Nationalversammlung umstandslos mit der deutschen in einen Topf geworfen. Dass Fontanes Alterserinnerungen dieser Verwechslung Vorschub leisten, ist keine Entschuldigung. In seinem umsichtigen Vorwort(S. 7–20) erörtert Iwan DAprile die Fra­ge, inwieweit Fontane überhaupt als Demokrat gelten kann, obwohl er sich aktiv kaum betätigt hat. Seine Anteilnahme am Leben des ›real existieren­den‹ Volkes könnte dafür sprechen, ungeachtet der gleichzeitigen Einsicht, dass dessen Bedürfnisse und Verhaltensweisen der revolutionären Pro­grammatik in mancher Hinsicht zuwiderliefen. Diese Spannung zwischen dem abstrakten Volk der demokratischen Theorie und bestimmten Exemp­laren der Berliner Bevölkerung sollte dem Dichter reichen Stoff für eine lite­rarisch vermittelte Kommentierung der Vorgänge bieten, wobei ihm Far­benvielfalt über parteiliche Eindeutigkeit ging. Das bezeugen unter anderem einige humoristische Verse Fontanes aus dem Umfeld von 1848 sowie vor