Nur in Freiheit wird man frei Muhs 155 allem das Fragment seines Karl-Stuart-Dramas, auf dessen Bedeutung D’Aprile nachdrücklich hinweist. Einzelne faktische Korrekturen sind gleichwohl auch hier angebracht. Der Sanskritgelehrte Max Müller war kein revolutionärer Emigrant(so S. 7), sondern wirkte seit 1846 in England. Nach Oxford hatte ihn sein Gönner vermittelt, der preußische Gesandte Bunsen, der übrigens 1852 auch Fontane dort oder in Cambridge als Professor für Deutsch unterbringen wollte. Hermann Kriege und Georg Günther schließlich, Bekannte des Dichters aus Leipziger Vormärztagen, waren 1848 nicht Herausgeber der Zeitungs-Halle(so S. 11 f.). Kriege mag zwar den Kontakt zu deren Redakteur Gustav Julius vermittelt haben, nachdem er Ende Juni in Sachen des Demokratischen Zentralausschusses in Berlin eingetroffen war, aber Günther saß die ganze Zeit hindurch als Abgeordneter in der Frankfurter Paulskirche. Eine Durchmusterung der in diesem Band versammelten Quellen bestätigt also einmal mehr, dass Fontane kein demokratischer Aktivist war, sondern ein engagierter Beobachter, der den Revolutionsverlauf mit prinzipieller Sympathie, aber zugleich aus einer gewissen Distanz verfolgte. Nicht politisches Eingreifen, sondern künstlerische Reflexion kennzeichnete seine Haltung, und das war bereits 1848 der Fall, nicht erst in der Retrospektive von 1898. Was ihm der Aufbruch der Märztage vor Augen geführt hatte, war die Möglichkeit einer anderen Welt, einer Welt, in der sich Volk wie Kunst frei würden entfalten können. So ist es bekanntlich nicht gekommen, aber an dieser Utopie hielt der Dichter fest, ohne je ein Revolutionär zu sein oder zu werden. Insofern war 1848 für ihn auch bis zuletzt kein erledigtes Thema, wie D’Aprile zum Schluss seines Vorworts zu Recht betont. Wenn Theodor Fontane jr. daher 1898 vollmundig erklärte,»den 18. März für einen Tag zu halten, den die Tränen kommender Geschlechter vergeblich bemüht sein werden, von den Tafeln preußischer Geschichte wegzuwaschen«, so war sein Vater, was künftige Jahrestage anging, optimistischer:»All dieser Unsinn wird wenigstens verschwunden sein.« 3 Er sollte Recht behalten. Rudolf Muhs Anmerkungen 1 Theodor Fontane: Die Berliner Märztage . Mit Einleitung, Nachwort und erläuterndem Register von Hermann Michel(Deutsche Revolution. Eine Sammlung zeitgemäßer Schriften. Hrsg. v. H. H. Houben und E. Mencke-Glückert. 8. Bd.). Leipzig 1920; Zitate S. 64 f. Eine Neuausgabe erschien 2008, seit 2013 ist der Titel auch als E-Book erhältlich. 2 Die Problematik von Textfassung, Datum und Adressat wird eingehend erörtert in meinem Beitrag: Broterwerb, Politik und Kunst. Neubestimmung eines Fontaneschen Briefentwurfs vom Ausgang der Revolutionszeit. In: Fontane Blätter 95(2013), S. 17–45. 3 Fontane an seine Tochter Martha, 20. März 1898. In: HFA IV, 4. 1982, S. 706.
Heft
(2023) 116
Seite
155
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