Heft 
(2024) 117
Seite
64
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64 Fontane Blätter 117 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Fontanes Militärzeit Steffan Druschke Es krankt, seit des Gefreiten Schere Mir meine Locken fortgeputzt, Mein Flügelpferd an einer Schwere, Als wär es mit mir zugestutzt. Diese wohl in den ersten Wochen des Militärdienstes von Theodor Fontane im Jahre 1844 entstandene Anfangsstrophe seines Gedichtes Als Grena­dier 1 will so gar nicht zu dem passen, was er 50 Jahre später in seiner Auto­biographie Von Zwanzig bis Dreißig 2 über seine Zeit»Bei Kaiser Franz « er­zählt. Jener Buchabschnitt, genauer gesagt dessen 1. und 3. Kapitel, erzeugt beim Leser eher das Bild einer gemütlichen Episode seines Lebens: Die mi­litärischen Vorgesetzten bringen ihm, dem Einjährig-Freiwilligen, über­wiegend Wohlwollen und Verständnis entgegen, während er sein Ziville­ben jenseits des täglichen Dienstes fortführen kann, mit eigener Wohnung in der Nähe der Kaserne und Gelegenheiten zur Geselligkeit. Letzteres gilt auch für seine Teilnahme an Sitzungen des literarischen Sonntagsvereins Tunnel über der Spree, 3 in den Fontane im Juli 1843 von seinem Freund Bernhard von Lepel als Gast eingeführt worden war und ab September 1844 auf Vorschlag Wilhelm von Merckels Mitglied wurde. Aber ebenso wie im Tunnel, so musste Fontane erst recht beim Militär äußerlich Abschied nehmen von seinen politischen Idealen, von Gedanken an Freiheit, Demokratie und vereinigtem Vaterland, 4 die seine Jugend bis dahin bestimmt hatten. Innerlich blieb er freilich dabei und gab diese erst nach dem Scheitern der 1848er-Revolution und unter dem Druck der Ver­hältnisse auf. Seine Militärzeit markiert das Ende seiner Wanderjahre als Apotheker, die ihn nach Burg, Leipzig und Dresden geführt hatten. Ob da­hinter die Absicht gestanden hatte, seinen Militärdienst erst so spät wie möglich anzutreten oder vielleicht sogar ganz zu umgehen, lässt sich nur vermuten. Zwar hatte er von Kindheit an ein Faible für alles Militärische, für ihn persönlich war dieser Dienst aber offenbar nichts als lästige Pflicht.