Heft 
(2024) 117
Seite
65
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Fontanes Militärzeit Druschke 65 Fontanes Schilderungen seines Militärdienstes werfen heute allgemeine Fragen auf, die sich nur aus den damaligen Verhältnissen erklären lassen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit soll hier der militärische Alltag der Wehrpflichtigen, speziell der Einjährig-Freiwilligen, zu denen auch Fontane­gehörte, in Preußen um 1845 näher betrachtet werden, ebenso wie die allgemeinen Verhältnisse zu jener Zeit, soweit diese damit im Zu­sammenhang standen. Zudem sollen Fontanes Äußerungen zu seiner Mili­tärzeit mit Hilfe zeitgenössischer Quellen ergänzt werden, um Zusammen­hänge sichtbar zu machen und eventuelle Widersprüche zu klären, soweit das möglich ist. Als Fontane 1844 seinen Militärdienst antrat, wurde Preußen(seit 1840) von König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) als absolut herrschendem Mo­narchen regiert. Mit seinem Regierungsantritt war im Volke die Hoffnung verbunden, dass er das Verfassungsversprechen seines Vaters Friedrich Wilhelm III.(1770–1840) umsetzen würde. Die erste Regierungsphase des Königs war denn auch anfänglich von Zugeständnissen geprägt(Lockerun­gen der Zensur, eine Amnestie politisch Verfolgter und eine Versöhnung mit der katholischen Bevölkerung). Aber bald wurde klar, dass der König von Preußen mit diesen Maßnahmen eher beabsichtigte, der Forderung nach einer preußischen Verfassung den Boden zu entziehen. Der König residierte im Königlichen Schloss zu Berlin (Berliner Stadt­ schloss heute als Humboldt-Forum wiederaufgebaut) und im Sommer in seinen Potsdamer Schlössern. Eine Hauptstütze seiner Herrschaft war das Gardekorps, 5 also die Eliteeinheiten der Königlich Preußischen Armee, die etwa ein Zehntel des stehenden Heeres umfassten. Das Gardekorps bestand seit 1814; die Gardetruppenteile der Preußischen Armee hatten grundsätz­lich ihre Garnison in der preußischen Haupt- und Residenzstadt Berlin , der Residenz Potsdam sowie in Städten und Gemeinden in deren Nähe. Berlin hatte zu jener Zeit mehr als 350.000 Einwohner, von denen ca. 19.000, also rund 5% der Bevölkerung, Militärangehörige waren. Der Kern Berlins , etwa 12,5 km² Fläche einnehmend, war um diese Zeit noch immer von einer Stadtmauer umfasst, vor deren Toren sich allerdings schon relativ große, wenn auch dünn besiedelte Vorstädte entwickelt hatten. Heutige Ortsteile Berlins , wie Charlottenburg , Spandau und Köpenick , waren ei­genständige Städte und lagen in gewisser Entfernung von der Hauptstadt. Außerhalb der Ringmauer, vor dem Potsdamer Tor, befand sich auch der Bahnhof der im Jahre 1838 eröffneten Berlin-Potsdamer Eisenbahn. 6 Wei­tere Bahnverbindungen folgten; Ende 1844 bestanden bereits Strecken bis nach Stettin , Frankfurt/Oder , Dresden und Hannover . 7 Auch deren Bahn­höfe außer dem Frankfurter, dem heutigen Ostbahnhof lagen vor den Toren Berlins . Die Stadt- oder Ringmauer, bereits von König Friedrich Wilhelm I. , der Preußen von 1713 bis 1740 regierte, als Palisadeneinfriedung errichtet, spä-