78 Fontane Blätter 117 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte chem Fall nach Ablauf desselben so viel länger bei der Fahne zu b leiben.« 71 Fontane hatte zum Zeitpunkt seines Urlaubsantritts(am 25. Mai 1844) noch nicht einmal zwei Monate Dienstzeit hinter sich. Es ist auch nicht bekannt, dass Fontane seinen 17-tägigen Urlaub nachgedient hat. Er schreibt sogar, dass»Ostern 45 dies Dienstjahr« abschloss. 72 Der Ostersonntag fiel im Jahre 1845 auf den 23. März. Da sein Dienstantritt am 1. April 1844 stattfand, wäre der reguläre Entlassungstermin wohl am 31. März 1845, einem Montag, gewesen. Übrigens hatte sich Fontane , wie durch einen Tagebucheintrag seines Freundes Max Müller belegt, 73 bereits im zweiten Monat seiner Dienstzeit und kurz vor seiner Englandreise, am Sonntag, den 12. Mai 1844, eine Auszeit als»fingierter Kranker« genommen, möglicherweise, um einen Wachdienst nicht antreten zu müssen. Dies»Kranksein« dauerte anscheinend nur ein bis zwei Tage. Ob das ein Einzelfall blieb und was dazu genau den Anlass gab, wissen wir nicht. Über seine Ausbildung und den späteren Dienst fallen Fontanes Schilderungen ziemlich knapp aus.»Die ersten Monate vergingen wie herkömmlich, und als wir einexerziert waren, begann der kleine Dienst.« Dieses »Einexerzieren« wird sich vorerst wohl nur auf die Wachaufzüge beschränkt haben, denn offensichtlich wurden auch die Freiwilligen dringend dafür benötigt(s. o.). Die gesamte Exerzierausbildung kostete schon viel mehr Zeit. Witzleben widmet in seinem Buch diesem Thema allein 50 Seiten, eine ganze»Abtheilung« in 4 Abschnitten, bei 343 Seiten Gesamtumfang. 74 Hier wird deutlich, dass die Bildung bestimmter Formationen auf Kommando und die oftmals komplizierten Einzelschritte dahin nicht nur den Paraden diente; auch im Kampfeinsatz hatte dies wesentliche taktische Bedeutung. Der Hauptgrund dafür bestand in der damaligen Bewaffnung der Infanterie. Denn auch das»neue Preußische Percussions-Gewehr« 75 konnte jeweils nur einen Schuss abgeben; dann musste es wieder geladen werden. Obwohl es bereits vorgefertigte Patronen gab(deren Hülsen aus Papier bestanden und deren Herstellung Witzleben minutiös beschreibt), war das Laden über die Mündung des Laufes und mit Hilfe des Ladestocks 76 immer noch ziemlich zeitaufwendig. Um die Feuerkraft und Treffsicherheit zu erhöhen, wurden die Schüsse auf gegnerische Formationen in Salven, also viele Schüsse gleichzeitig, abgegeben. Um die durch das Nachladen der abgefeuerten Waffen entstehende Feuerpause kurz zu halten, wurden die Schützen im vorderen Glied nach Abgabe der Gewehrsalve auf Kommando von den hinter ihnen Stehenden abgelöst, die nun ihrerseits die nächste Salve abgeben konnten. Dabei unterschieden sich die Gefechtsformationen situationsbedingt sehr stark voneinander – und das musste trainiert werden, so dass es »in Fleisch und Blut« überging. Um dahin zu gelangen, wurde zuerst im Rahmen der Korporalschaft – etwa 10 Mann stark –, dann der Kompanie und schließlich des Bataillons exerziert. Bei gutem Wetter geschah das im
Heft  
(2024) 117
Seite
78
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten
