Unbekanntes von Josef Ettlinger Rasch 107 durfte, werden mir unvergeßlich sein. Er besaß ein ausgezeichnetes Personengedächtnis, auch für die unbedeutendsten Individuen, und hatte seine besondere Freude daran, über den und jenen harmlose kleine Bosheiten zu sagen. Sein fröhliches Herze hatte er sich so frisch bewahrt, wie der Jüngsten einer, und w i e jung er sich fühlte, ging am schönsten aus dem stets regen und warmen Interesse hervor, das er der jungen literarischen Generation entgegenbrachte. So wenig, wie im Leben, war er in seinen künstlerischen Anschauungen ein laudator temporis acti und er hat den beleidigten oder entrüsteten»Alten«, die wie Hopfen oder Dahn die ganze moderne Literatur von Zeit zu Zeit als eine einzige»Schweinerei« niederzuschimpfen versuchten, weil ihnen selber nichts mehr einfiel, gelegentlich – in dem kleinen Gedicht»Die Jungen und die Alten« – derb den Text gelesen. Denn trotz seiner fast achtzig Jahre war er in Wahrheit ein moderner Mensch: mit offenem Auge für alles Große und Schöne, jedem Eindruck empfänglich, für Alles interessiert, was des Interesses verlohnte, und im Leben, wie im Schaffen eine Vollnatur von regen Kräften und eine Persönlichkeit von echtem geistigem Adel. Dr. J o s e f E t t l i n g e r. Bonner Zeitung. Bonn . Nr. 234, 2. Oktober 1898,[S. 9] Effi Briest . Drei begnadete Menschen leben mit und unter uns, denen das kraftbrechende Alter bisher gottlob nichts hat anhaben können: Bismarck, Menzel und Fontane . Der größte dieser Drei hat den Weg in die Eisregion des Lebens, ins neunte Jahrzehnt, schon vor Monaten ungebeugten Hauptes angetreten; den Meister Menzel haben wir unlängst als Achtzigjährigen gefeiert, während Fontane , der Menzel des Romans, noch rüstig mit bedächt’ger Schnelle die letzten siebziger Jahrgänge durchwandelt. Gemeinsam ist diesen drei Alten, deren jeder uns auf seine besondere Art ans Herz gewachsen ist und bleibt, die ungetrübte Geistesfrische und Arbeitslust, der helle, kluge, klare Blick und eine zur vollen Reife geläuterte Weltfreundlichkeit, die am Engen und Kleinlichen nicht mehr haftet. Aber derweilen den Einen der Lauf der Geschichte allzu früh vom sausenden Webstuhl der Zeit hat abrücken lassen, an dem er dreißig Jahre lang als unerreichter Meister gesessen und gewirkt, stehen die anderen Beiden noch lebhaft mitten drin im kräftigsten Schaffen und Bilden und machen das eherne Naturgesetz der Altersschwäche mit einer Gründlichkeit zu schanden, an der man seine helle Freude haben muß.
Heft
(2024) 117
Seite
107
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