Heft 
(2024) 117
Seite
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118 Fontane Blätter 117 Freie Formen lichen Kindern geschrieben und nicht einmal das Wort»angeblich« ge­braucht hätte. Und sie erklärt mir definitiv, dass sie bis an ihr Lebensende den Urgroßvater in diesem»Anklagepunkt« zu verteidigen gedenke. Damit markiert sie den roten Faden, der unsere gesamte Korrespondenz(1998– 2007) durchzieht oder, wie sie es salopp formuliert(19.06.04), mit dem sie mir»auf der Pelle gelegen« habe. Ihr Engagement in dieser Angelegenheit hat einen konkreten Hinter­grund. Sie weiß seit ihren Jugendjahren von jenem Brief an Bernhard von Lepel vom 1. März 1849, in dem sich Fontane zu dem unwillkommenen Nachwuchs bekennt, und Beate hatte vermutlich lebenslang die Gespräche im Gedächtnis, die ihre Eltern mit ihrem Murnauer Nachbarn und Freund Julius Petersen darüber geführt hatten. Petersen, der Berliner Germanis­ tik -Professor, bereitete Ende der dreißiger Jahre den Briefwechsel Fontane­Lepel zur Veröffentlichung vor(1940 erschienen), und die Grosses sorgten dafür, dass er diesen Brief nicht in die Ausgabe aufnahm(er ist erst 1960 publiziert worden). Dieser Vorgang und das Geständnis Fontanes müssen Beate nachhaltig beeindruckt haben, und sie glaubte wohl ernsthaft daran, dass sich ihr für absolut integer gehaltener Vorfahre angesichts des Vor­wurfs, er habe während der Verlobungszeit mit Emilie Kummer»mit einer anderen Frau« zwei Kinder gezeugt, im Grabe umdrehe und deshalb sie, die Urenkelin, mit der Bitte um»Rechtstellung« beauftragt habe(01.10.99), was wohl so viel wie Verschweigen und Tilgen aus der Biographie heißen sollte. Präzisierend und korrigierend bemerkt Sohn Jürgen Saggerer in einem Brief an mich vom 29. März 2022: Dass meine Mutter meinen Ururgroßvater als moralische Autorität ver­ehrt hat, ist mir bewußt. Auch aus der Ferne[er lebt seit 1986 wieder in Deutschland ] habe ich von ihrer Haltung, was die vorehelichen Kinder betrifft, Kenntnis genommen. Ich glaube nicht, daß meine Mutter diese Tatsache, daß es uneheliche Kinder gab, abgestritten hat, sie war eher der Meinung, daß die Forschung noch genügend andere Themen hätte, über die man schreiben könnte, ohne sich mit diesem Kapitel beschäfti­gen zu müssen. Ich sowie andere meiner Generation sehe das nicht als Makel, sondern als Indiz dafür, daß auch der Dichter ein Mensch war, mit Stärken und Schwächen, und nicht nur der Übermensch, zu dem er in der Familie oft vergöttert wurde. Das ist ein bündiges Wort zu einem anrührenden, aber auch etwas proble­matischen Aspekt familiärer Fontane-Rezeption. Für Beate Saggerer indes war die Geschichte so gravierend, dass sie mir inmitten unseres freundlich­freundschaftlichen, tabulos-herzlichen Briefwechsels sogar einen»Ab­schiedsbrief«(26.01.04) sandte, mit der ausdrücklichen Bitte, ihr meine ­Emilie-Biographie nicht zu schicken. Der»Abschied« war, erfreulicher­weise, nicht von Dauer, und die Taschenbuchausgabe von Emilie hat sie doch