Heft 
(2024) 117
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Dialog mit einer Urenkelin  Erler 117 Angebot der Daimler-Benz AG folgend, die damals auf der Suche nach er­fahrenen Kfz-Meistern für ihr nordamerikanisches Händler-Netz war. So erklärt sich, dass Fontanes Urenkelin Beate Saggerer in Hamilton im Bundesstaat Massachusetts heimisch war, als ich ihr einer Anregung von Manfred Horlitz folgend im Sommer 1998 den gerade erschienenen, von mir und meiner Frau herausgegebenen Fontaneschen Ehebriefwechsel in drei Bänden schickte und damit die epistolographische Begegnung auslöste. Was mich von ihren ersten Schreiben an völlig überraschte und ich bekenne es sehr berührte, war die totale Fixierung der damals Fünfund­siebzigjährigen auf den Urgroßvater und sein erzählerisches Werk. Noch nie hatte ich von einer derart obsessiven Bindung eines Angehörigen an den Begründer des Familienruhms gelesen oder gehört. Aber ihre wun­derbaren, auch äußerlich höchst ansprechenden und meist langen Briefe zeugten von einer superioren Kenntnis der Fontaneschen Romanwelt und deren Figuren und bekundeten Übereinstimmung mit deren ethischen und geistigen Positionen. Was sie artikulierte, war kein vordergründig litera­turgeschichtliches Verhältnis, es war weltanschaulich-menschliche Identi­fikation. Fontane ist ihr die absolute moralische Autorität. Sie nennt ihn ihren»Seelsorger«(28.11.02), ihren»Lehrmeister«(08.12.03), ihren»besten ›Hochschulprofessor‹ wie auch Wort-Maler«(29.11.06), und wenn sie stän­dig voller Ehrfurcht nur vom»Dichter« spricht, spürt man sozusagen ihren Begeisterungsbibber. Bei alledem ist Beates Respekt vor dem Sprachkünst­ler Fontane präsent, der ihr offenbar sehr nahe war, als sie sich in fortge­schrittenen Jahren im amerikanischen Englisch einrichten musste. Mitun­ter schien sie mir in ihrer Verehrung Fontanes einem naiven Kult verfallen zu sein, wenn sie etwa bemerkt, dass sie»den Dichter mit seiner Seele« lese (01.10.99), doch in einem anderen Brief gesteht sie ein, dass sie wohl»in ih­rer Liebe zum Dichter geblendet« sei(25.10.98). Die Veröffentlichung des Ehebriefwechsels mit zahlreichen bis dahin unbekannten Texten Fontanes und der Erstpublikation von Emilies Briefen wurde seinerzeit von der Fach- und vor allem von der lesenden Laienwelt überrascht und befremdet aufgenommen und traf im fernen Neuengland auf eine besonders hoch motivierte Empfängerin, die begeistert war von den ungewohnten Einblicken in die Befindlichkeiten ihrer Urgroßeltern und darüber ausführlich gegenüber den Herausgebern räsonierte. Die drei Bände und ihre Kommentare seien ihr willkommene Gelegenheit zur»Ah­nenforschung«(22.11.98), die sie wie»Handys«[sic] stets um sich habe(ein angenehmes Kompliment für die Herausgeber!). Bei aller Freude über den Lesestoff und bei aller Anerkennung der edi­torischen Leistung kommt Beate Saggerer aber schon in ihrem grundsätz­lichen Brief vom 25. Oktober 1998 auf ihr Trauma zu sprechen, auf ihren Dissens mit Teilen der Fontane -Forschung. Sie moniert, dass auch ich in meiner Einleitung zum Ehebriefwechsel über die Episode von den vorehe­