Heft 
(2024) 117
Seite
137
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Diskrete Dissonanzen  Böttcher 137 lässt über einzelne Stellen allzu mitdichtend-verstiegener Analogiebildun­gen hinwegsehen. 5 Die Leistung des Buches liegt nicht zuvorderst darin, jeweils geschlos­sene Neuinterpretationen der behandelten Texte vorzunehmen, sondern diese vielmehr genauestens in ihrer poetologisch-selbstreflexiven Zeichen­haftigkeit aufzufächern oder, wie im Falle von Wilhelm Busch , überhaupt erst in dieser Hinsicht umfassend zu erschließen. Die Detailanalysen wer­den dabei häufig weitreichend intertextuell und literaturprogrammatisch kontextualisiert, so dass sich die punktuellen ›Mikrolektüren‹ gegenüber der Orientierung an literaturhistorischen Meistererzählungen als konse­quenter Darstellungsmodus erweisen. Auch wer grundsätzliche methodi­sche Paradigmen und literaturhistorische Prämissen des Verfassers nicht teilt, wird in dieser beobachtungsstarken und interpretationsfreudigen Studie eine riesige Fülle hellsichtig-instruktiver Bezüge und originell-anre­gender Impulse entdecken und daher zugestehen müssen: Auch der Post­ strukturalismus hat seinen Sonntag. Philipp Böttcher Anmerkungen 1 Julian Schmidt : Geschichte der deut­schen Literatur seit Lessings Tod. Vierte, durchweg umgearbeitete und vermehrte Auflage. Dritter Band. Leipzig 1858, S. 340. 2 Georg Wilhelm Friedrich Hegel : Vorlesungen über die Ästhetik. In: Ders.: Werke in 20 Bänden. Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu edierte Ausgabe. Bd. 13–15. Bd. 15: Vorlesungen über die Ästhetik III . Redaktion Eva Mol­ denhauer u. Karl Markus Michel . Frankfurt a. M. 1973, S. 393. 3 Karl Gutzkow : Der Roman und die Arbeit . In: Unterhaltungen am häuslichen Herd 3(1855), Nr. 44, S. 702–703, hier S. 702. 4 Vgl. Mülder-Bach, Inka: Einleitung. In: Dies., Jens Kersten , Martin Zimmermann (Hrsg.): Prosa schreiben. Literatur Ge­schichte Recht. Paderborn : Fink 2019, S. 1–11, hier S. 3. 5 Zum Beispiel:»Das wie Deleuze und Guattari gesagt hätten ›Biene-Wer­den‹ von Storms Text steht freilich nicht allein im Zeichen des untergründigen Rhizoms. Parallel dazu partizipiert Storms ›apistische‹ Novelle an einem organizisti­schen, funktionalen Textmodell, das sich einer ›harmonischen Entwicklung der Form‹ verschreibt und das Deleuze und Guattari ausgerechnet in das Bild des ›Wurzel-Baums‹ gefasst haben(so wie Storms Bienen eben auch in den Blüten von Obstbäumen summen). Die Bre­schen, welche die apistischen Momente in den linearen Fortgang der Handlung schlagen in die Erzählprosa im platten Wortsinn,[] laufen dementsprechend stets zugleich auf eine ›De‹- und eine ›Reterritorialisierung‹ des Textes hinaus, auf untergründig-verstörendes Wühlen und sicherlich dominanter poetisieren­de Blüten-Lese«.(S. 74)